Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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z. B. um die Interpretation einer zweifelhaften Stelle in der Verfassungs- 
urkunde handelt. In diesem Falle muß mit dem Auswärtigen Amt korre- 
spondirt werden, und dieses sagt nur so viel, als ihm opportun erscheint. 
Das Wort „Bundestag“ hatte von Frankfurt her einen üblen Beigeschmack; 
es hieße, die ganze Institution von Haus aus diskreditiren, wollte man diese 
Bezeichnung vom alten Bunde her für die neue Versammlung der Gesandten 
entlehnen. Deshalb gab Bismarck dem Kinde den Namen „Bundesrat“. Der 
alte Bund tagte, der neue sollte beraten. 
Die Kompetenzen des Bundesrats, des vornehmsten Trägers der gesetz- 
gebenden wie der regierenden Gewalt, waren zwar im Vergleich mit der Frank- 
furter Institution bedeutend erweitert. Dafür erschien auf der andern Seite 
aber auch das Bundespräsidium in weit machtvollerer Gestaltung; ein Bundes- 
feldherr war an die Spitze aller Bundeskontingente, ein Flottenchef an die 
Spitze der ganzen norddeutschen Kriegsflotte gestellt, und diese Attribute 
waren vereint in der Person des Königs von Preußen, der im Bundesrat 
17 unter 43 Stimmen bekam.“) Statt eines Um= und Ausbaues des Frankfurter 
Hauses hatte der Baumeister des Reichs einen pyramidenartigen Neubau errichtet, 
auf breiter, solider Grundlage mit einer hohen und scharfen Spitze. Am 
15. Dezember 1866 begannen in Berlin die Verhandlungen der Abgesandten 
zur Beratung und Feststellung der Verfassung des Norddeutschen Bundes. Es 
wurden darüber Protokolle geführt, welche unter den Drucksachen des kon- 
stituirenden Reichstags veröffentlicht worden sind.““) Es waren bei den Kon- 
ferenzen zur Beratung und Feststellung der Verfassung des Norddeutschen Bundes 
*) Obwohl Preußen, auf seine Stimmen beschränkt, im Bundesrat nicht den Ausschlag 
gab, so war doch anzunehmen, daß es im stande sein werde, sich so viel wie nötig geltend 
zu machen. Zu einer Zeit, als sich die einschlägige Verfassungsbestimmung noch nicht 
bewährt batte, schrieb die „National-Zeitung“: „Es wird jedoch auch hierbei wieder auf 
den persönlichen Einfluß des gegenwärtigen Kanzlers gerechnet, während ein Nachfolger 
von ihm, dessen Stellung aus irgend welchen Ursachen eine schwache wäre, immerhin die 
Wahrnehmung würde machen können, daß Mehrheit doch Mehrheit ist und Minderheit 
Minderheit. So ganz chimärisch wird daher die Annahme nicht sein, daß unter Umständen 
das formelle Mindergewicht Preußens im Bundesrate sich auch als thatsächliches erweisen 
könne, wenn es zum Abstimmen kommt. Im alten Bunde war Preußen auch schon durch 
seine Größe weit hervorragend und wurde dennoch in der Eschenheimer Gasse so oft über- 
stimmt; ja die Kleinen stimmten, um von älteren Zeiten zu schweigen, noch zu guter Letzt 
während des dänischen Krieges gegen Preußen und Oesterreich zusammen. Es ist also 
doch schon mancherlei von dieser Art erlebt worden, und haben auch die Zeiten und die 
Verhältnisse sich inzwischen geändert, so kann doch auch durch den jetzigen Bundesrat noch 
immer die Wahrheit einst bekräftigt werden, daß Staatsverfassungen übel beschaffen sind, 
wenn ihre Formen dem Leben nicht entsprechen.“ 
*) Vgl. die Anlagen 9 und 10 der Anlage zu den Verhandlungen des konstituirenden 
Reichstags des Norddeutschen Bundes. Die Konferenz wurde durch Einladungsschreiben 
der königl. preußischen Regierung vom 21. November 1866 berufen.
	        
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