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hältnisse des allgemeinen Verkehrs und der Landesverteidigung einen Beschluß
darüber, welche Richtung die Bahn einzuschlagen habe.)
Die Mehrheit der Ausschüsse des Bundesrats für Eisenbahnen, Post und
Telegraphen sowie für Landheer und Festungen“) stellte den Antrag: Der
Bundesrat wolle seine Ansicht dahin aussprechen, daß im Interesse einer den
Zwecken der Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs entsprechenden
künftigen Gestaltung des Eisenbahnnetzes im nordwestlichen Deutschland die über
Diepholz führende südliche Linie der Venlo-Oamburger Eisenbahn auf der Strecke
von Osnabrück nach Bremen den Vorzug vor der nördlichen, über Vechta
führenden Richtung verdiene.
Im Plenum des Bundesrats enthielt sich die preußische Regierung infolge
der Stellung, welche sie zu der Frage einnahm, der Beteiligung an der Ab-
stimmung. Diese war ein doppelte; es wurde zuerst die Frage, ob die südliche
Linie über Diepholz den Vorzug verdiene, mit 10 gegen 9 Stimmen verneint,
und dann die Frage, ob der nördlichen Linie über Vechta der Vorzug zu geben
wäre, mit 15 gegen 4 Stimmen ebenfalls verneint. Die Versammlung erklärte
sich infolge dieses Ergebnisses damit einverstanden, daß die Wahl der einen
oder andern Linie als gleichgiltig im Interesse der Landesverteidigung und des
Verkehrs zu betrachten sei.
Das preußische Staatsministerium beschloß demnächst die durch preußisches.
Gebiet führende Linie über Lemförde-Diepholz zu wählen.
7. Post- und Telegraphenwesen.
In keiner Verwaltung des Bundes war ein so rasches Tempo im Ausbau
der verfassungsmäßigen Institutionen angeschlagen worden, als in dem damals
noch getrennten Post= und Telegraphenwesen. Den Abschluß der Verträge mit
*) Die ehemalige hannoversche Regierung hatte der Bahn große Schwierigkeiten be-
reitet und die Durchführung durch Hannover zur Bedingung gemacht, während Preußen
die Richtung durch Oldenburg (es handelte sich um die Strecke von Bremen nach Osnabrück)
befürwortete. Wie die Sachen jetzt lagen, würde Preußen natürlich auch am liebsten die
bannoversche Linie gewünscht haben, da nun aber bei der oldenburger Linie auch wichtige
Interessen mitsprachen, so blieb es anerkennenswert und war auch überall so aufgefaßt
worden, daß der Bundeskanzler über die partikularistischen Interessen hinweg die Angelegen-
heit dem Bunde, von dem ja überdies die Eisenbahnen ressortirten, überwies.
*“) Die Heranziehung des Militärausschusses war der Einholung eines Gutachtens des
Kriegsministeriums vorgezogen worden. General v. Podbielski war persönlich erschienen
und beleuchtete die vom strategischen Standpunkte aus wichtige Frage einer möglichst nahen
Verbindung zwischen Hamburg und der Rheinprovinz. Der Vertreter der oldenburgischen
Regierung trat vergeblich für dic nördliche Linie ein. Schließlich entschied man sich dahin,
dem Bundesrat, namentlich in Erwartung, daß die Bahn Osnabrück-Quakenbrück-Olden-
burg später doch zur Ausführung kommen würde, die südliche Linie als die vorteilhaftere
zu empfehlen.