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Konsolidirung der preußischen Staatsschuld mit einem Schlage Ordnung in
die preußischen Finanzen zu bringen wußte, technisch gut debütirt, indessen
zweifelte Roon von Anfang an, ob derselbe auch politisch der übernommenen
Rolle gewachsen sei, sowohl Bismarck als dem Staatsministerium gegenüber)
Für den Anfang enthob ihn der Milliardensegen über alle Sorgen, und die
Schwierigkeit lag in Camphausens Augen zu Anfang der siebenziger Jahre
weniger darin, wie das Geld zu beschaffen, als darin, „in einer so günstigen
Finanzlage den zur Verfügung stehenden reichen Mitteln nach allen Beziehungen
die richtige Verwendung zu geben.“ Sein Programm lautete: Reichliche Dotirung
der Ausgabefonds, Gewährung von Steuererleichterungen (jährlich 33 Millionen)
und Schuldentilgung. **)
So lange Delbrück noch im Amte war, gab es zwischen Bismarck und
Camphausen keine Kontroversen.
In der Frage, ob es sich nicht empfehle, erst mit einem Erlaß der Klassen—
steuer und einer Ermäßigung der Salzsteuer vorzugehen, bevor die Stempel-
steuer von Zeitungen und Kalendern aufgehoben würde, ordnete Camphausen
seine Ansicht der Bismarcks unter. Von da ab traten aber die Meinungs-
verschiedenheiten auf der ganzen Linie auf, die uns aber erst in einer späteren
Periode näher beschäftigen werden.
Das Verhältnis Camphausens zu Delbrück war ein freundschaftliches;)
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*) Roon a. a. O. Bd. II. S. 416.
**) Vgl. den Bericht Camphausens über die Finanzverwaltung in den Jahren 1870,
1871 und 1872.
***) Ein Spaßvogel wußte darüber später einmal folgendes zu berichten: Wenn man die
Vornehmheit in Unnahbarkeit setzt, so war der vornehmste Minister entschieden Camphausen.
„Ist der Herr Minister zu Hause?“ fragte so ein naiver Profaner im Hotel am Kastanien-
wäldchen, der bei anderen Ministern schon öfters leichten improvisirten Zutritt gefunden.
„Excellenz sind nicht zu sprechen,“ lautete die Antwort. „Ob wohl Excellenz Zeit haben,
dieses Schreiben gleich zu lesen und eine mündliche Antwort darauf zu geben?“ — „Excellenz
haben keine Zeit.“ Hätte der Finanzminister Camphausen als Junggeselle eine Liaison
gehabt — er hatte keine — und hätte er einmal ein Billetdoux erhalten, er hätte das-
selbe, ehe er es las, durch die Kanzlei, die Registratur u. s. w. gehen, rubriziren und mit
dem Aktenzeichen versehen und dann sich über den Inhalt von einem Geh. Ober-Finanzrat
Vortrag halten lassen. Er las nichts ohne Aktenzeichen. Was das heißen will, das
Cölibat eines Ministers, das zeigte das Finanzhotel, als der Gargon Camphausen auszog.
Herr Hobrecht fand viel Staub vor. Sein Vorgänger speiste nicht einmal zu Hause.
Kochgeschirr und Porzellan wurden in Camphausens Küche nur angerührt bei Gelegenheit
jener seltenen, aber berühmt gewordenen Gastmähler im engen Kreise guter politischer
Freunde. Berühmt nämlich durch ihren Wein und ihre gediegene Unterhaltung. Wenn
Braun-Wiesbaden einmal den Ausruf „diese Sorte ist wunderbar“ nicht unterdrücken
konnte, so will das etwas sagen. Der Minister erwiderte: „Ich will es nicht in Abrede
stellen, daß ich mir eine Ehre daraus mache, wenn ich die Kenner vom Rhein her nicht
unbefriedigt lasse. In der That ist dieser Johannisberger etwas Seltenes — von meinem
Ministergehalt könnte ich es nicht, nur mein kleines Privatvermögen setzt mich in den