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bis in das Jahr 1870 verfolgen.“) Die erste offizielle Lancirung des kühnen Ge-
dankens der Erwerbung der hauptsächlichsten deutschen Bahnen durch das Reich
erfolgte aber erst am 11. Dezember 1875. **)
Gotthardbahn. Ein Anschreiben des Bundeskanzlers vom 12. Mai
1870***) bezeichnete das Gotthardbahnprojekt als ein internationales Unternehmen,
welches die materielle Unterstützung der nördlichen und südlichen Nachbarstaaten
der Schweiz rechtfertige. Die Entscheidung der Frage, ob und in welcher Höhe
eine Subvention seitens des Norddeutschen Bundes zu bewilligen sei, war, da der-
selbe ein finanzielles Engagement bis dahin nicht eingegangen, dem Bundesrat
und Reichstag vorbehalten. Es wurde für die Beteiligung des Bundes die
Summe von 10 Millionen Franken als angemessen bezeichnet und demgemäß
wörtlich der Antrag gestellt: „Das Bundespräsidium zu ermächtigen, dem zwischen
Italien und der Schweiz am 15. Oktober 1869 über die Herstellung und
Subventionirung der Gotthardbahn abgeschlossenen Staatsvertrage beizutreten
und dem Unternehmen eine nach Maßgabe des Artikels 17 des Vertrages zahl-
bare Subvention in Höhe von 10 Millionen Franken zuzusichern.“ Davon
hatte Preußen wegen seines Besitzes des Saargebietes sowie als Eigentümer
einiger die westlichen Provinzen durchziehenden Eisenbahnen 1½ Millionen
Franken, vorbehaltlich der Zustimmung des Landtags, vorweg übernommen;
außerdem hatten die Direktionen der Bergisch-Märkischen und Rheinischen Eisen-
bahngesellschaft je 1 Million Franken beizusteuern zugesagt, so daß auf Bundes-
fonds noch 6½ Millionen Franken entfielen. Eine gleichfalls zugesagte Be-
teiligung der Köln-Mindener Eisenbahn auf Höhe von 1 Million Franken wurde
als zweifelhaft bezeichnet. Die bearbeiteten Projekte, die Gutachten der italieni-
schen technischen und kommerziellen Kommissionen sowie die Spezialprotokolle
der Berner Konferenz sollten bei der Ausschußberatung vorgelegt werden.
Der Ausschuß des Bundesrats empfahl die Zustimmung zu dem zwischen
der Schweiz und Italien abgeschlossenen Vertrage und stellte die Subvention
*) Vergl. die „Nationalzeitung“ Nr. 134 vom 21. März 1870.
*“) Vergl. mein Werk: „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“, Band 1 (2. Auf-
lage) S. 95.
*:) Abgedruckt in Hirths Annalen, 1870, S. 457. Der Vorlage des Bundeskanzlers
an den Bundesrat gingen längere diplomatische Verhandlungen Bismarcks voraus, ins-
besondere eine (in Kohls Bismarck-Regesten nicht erwähnte) Note des Grafen Bismarck an
den schweizerischen Bundesrat. Sie wurde im Originaltext, deutsch, an den schweizerischen
Gesandten in Berlin gerichtet und war vom 30. Januar datirt, in Erwiderung auf die
Mitteilung der Konferenzprotokolle. Seitdem war die schweizerische Depesche vom 9. März
erlassen worden mit der bekannten Einladung an den Norddeutschen Bund wegen einer
näheren Erklärung über die Subvention und was damit zusammenhing. Auf diese Depesche
vom 9. März erfolgte keine schriftliche Antwort, wohl aber fanden infolge der hiesigen
Mitteilung jener Depesche mündliche Aeußerungen von norddeutscher Seite statt, die selbst-
verständlich auch nach Bern mitgeteilt wurden.