Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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ihm zur Seite oder, besser gesagt, unter ihn wurde durch Allerhöchsten Erlaß 
vom 12. August 18677) das „Bundeskanzler-Amt“ gesetzt, mit denjenigen 
Beamtenkräften, die er bedurfte, um die Bundesverwaltungs= oder Aussichts- 
rechte des Präsidiums, das ist des Königs von Preußen, und die gesetzgebende 
Thätigkeit desselben und was damit verwandt war, auszuüben. 
Damit war auch die vielfach aufgeworfene Frage, betreffend die Ernennung 
eines Vizekanzlers, entschieden. Staatsrechtlich wurde diese Stelle in den Ver- 
fassungsorganismus nicht eingefügt; indem aber der Wirkliche Geheime Ober- 
Regierungsrat und Ministerialdirektor Delbrück zum Präsidenten derjenigen Behörde 
ernannt wurde, durch welche der Kanzler alle Verwaltungs= und Aussichtsrechte 
des Präsidiums und alle ihm sonst noch zustehenden Bundesangelegenheiten 
Bund vereidigen, welche jedoch, da ihre Stellung von untergeordnetem Range ist, mit dem 
Kanzler nicht verglichen werden können. Er allein aber stellt in seiner Person eine Art 
von bundesstaatlicher Regierung und bundesstaatlicher Spitze dar; und alles, was der Nord- 
deutsche Bund von Einheitsbehörden oder Gewalten besitzt, das wird vertreten und dar- 
gestellt durch den König von Preußen und den Kanzler. Der Letztere (die Verfassung sagt 
zwar: das Präsidium, d. i. der König) bringt die Vorlagen des Bundesrats an den Reichs- 
tag, er hat die Ausfertigung und Verkündigung der Bundesgesetze, er überwacht deren 
Ausführung durch die einzelstaatlichen Behörden und die Verwaltungsbeamten, und er 
nimmt alles das wahr, was dem Präsidium unter dem Namen von „oberer Leitung“ der 
gemeinsamen Angelegenheiten in den Bundesstaaten überwiesen ist. Dies ist eine außer- 
ordentliche Stellung, die in dieser Weise nicht vorhanden sein würde, wenn es im Reichs- 
tag gelungen wäre, ein vollständiges Bundesministerium zu schaffen. 
*) Der Erlaß lautet: 
„Auf Ihren Bericht vom 10. d. M. genehmige Ich die Errichtung einer Behörde 
für die dem Bundeskanzler obliegende Verwaltung und Beaussichtigung der durch die 
Verfassung des Norddeutschen Bundes zu Gegenständen der Bundesverwaltung gewordenen, 
beziehungsweise unter die Aufsicht des Bundespräsidiums gestellten Angelegenheiten, sowie 
für die Ihnen, als Bundeskanzler, zustehende Bearbeitung der übrigen Bundesangelegen- 
heiten. Diese Behörde soll den Namen „Bundeskanzler-Amt“ führen und unter Ihrer 
unmittelbaren Leitung stehen. Zum Präsidenten derselben will Ich den Wirklichen Ge- 
heimen Ober-Regierungsrat und Ministerialdirektor Delbrück ernennen. 
Bad Ems, den 12. August 1867. 
Wilhelm. 
Graf v. Bismarck-Schönhausen. 
An den Kanzler des Norddeutschen Bundes.“ 
Hiernach erstreckte sich die Thätigkeit des Amtes nach zwei Richtungen. Erstens 
hatte es die geschäftliche Besorgung der Angelegenheiten, welche unter die Aufsicht des 
Bundespräsidiums gestellt waren. Zweitens war es das ausführende Organ für die dem 
Bundeskanzler obliegende Verwaltung, Beaufsichtigung und Bearbeitung der Bundesange- 
legenheiten. Demgemäß gehörte zum Ressort des Bundeskanzler-Amts namentlich die Vor- 
bereitung von Vertragsabschlüssen mit fremden Mächten, die Ausführung der Bundes- 
gesetze und die Bearbeitung aller Angelegenheiten, welche deren Vollziehung betrafen, sowie 
die Ausfertigung der Präsidialanordnungen und die Entwerfung der Vorlagen für den 
Bundesrat und den Reichstag. Die maßgebenden Weisungen zu allen diesen Arbeiten 
kamen vom Bundespräsidium und vom Bundeskanzler.
	        
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