Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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Weinlig schätzte Bismarck hoch. Derselbe hatte von jeher die Ansicht 
vertreten, daß ein geeintes Deutschland nur unter der Aegide Preußens denk- 
bar sei, überaus schmerzlich war ihm daher bei der treuen Hingebung und 
großen Verehrung, welche er dem Könige von Sachsen zollte, der Krieg von 
1866. Für Weinligs Wirksamkeit im Bundesrat war es demselben för- 
derlich, daß er bei allen in den vorhergehenden Jahrzehnten stattgehabten Kon- 
ferenzen über Maaß= und Gewichtsordnung, Münzeinheit u. s. w. sächsischer 
Bevollmächtigter war und sich bei dieser Gelegenheit durch seine große per- 
sönliche Liebenswürdigkeit und Bescheidenheit die Sympathien aller seiner Kollegen, 
vornehmlich aber derjenigen der süddeutschen Staaten erworben hatte. 
Ich lasse nun die Auszüge aus einigen Briefen folgen, die Weinlig während 
seiner Wirksamkeit im Bundesrat aus Berlin an die Seinigen gerichtet hat. 
16. August 1867. „Wir sind sofort in die Arbeit hineingegangen und 
haben bereits gestern und heute unter Bismarcks Vorsitz im Lokal des Herren- 
hauses Sitzungen gehalten. — Nun müssen erst die Ausschüsse vorarbeiten; da 
ich nun in zwei Ausschüsse (für Handel und Verkehr und für Eisenbahn, Post 
und Telegraphen) definitiv gewählt bin und in zwei anderen Thümmel bezw. 
den Minister Frhr. v. Friesen zu vertreten habe, so wird es mir während der 
ganzen Vormittage und Abende nicht an Beschäftigung fehlen. — Am meisten 
habe ich mit Delbrück zu thun. — — — Morgen ist Diner bei Bismarck 
für die Mitglieder des Bundesrats. Ueber letzteren kann ich noch nicht urteilen; 
er ist allerdings viel anders geworden, seit ich ihn vor 16 Jahren in Frank- 
furt a. M. zuerst sah.“ 
30. August 1867. „Das neue Postgesetz, eine mir bisher wenig bekannte 
Materie betreffend, macht mir viel Arbeit. Seit gestern habe ich den Vortrag 
beginnen können, welcher 3 bis 4 Sitzungen in Anspruch nehmen wird, und 
dann muß ich den Bericht machen, worüber ich auch 2 bis 3 Tage festsitzen 
werde, das ist aber auch für mich die schwierigste Sache. Alle anderen gehen 
leichter, weil sie mir bekannter sind.“ « 
Ohne Datum 1867. „Mit dem Postgesetz bin ich nun fertig, mein sieben 
Bogen langer Bericht kommt morgen zum Druck.“ 
17. September 1867. „Das Postgesetz ist ganz so geworden, wie ich 
es wünsche. Gleich an dem Tage, wo ich wieder hier eintraf, wurde es vor- 
genommen; Bismarck hielt sein Wort und stimmte für uns.“ 
Ohne Datum 1867. „Am Sonnabend war Diner bei von der Heydt. 
Bei Tisch saß ich, da Friesen zum König nach Babelsberg eingeladen war, als 
oberster sächsischer Bevollmächtigter neben Bismarck, mit dem ich mich sehr gut 
unterhalten habe. Ich werde jedenfalls noch viel Gelegenheit haben, diesen 
Mann zu studiren, da ich, wenn Friesen nach Dresden zurückgeht, stimm- 
führender sächsischer Bevollmächtigter werde und dann nach der Rangordnung 
allemal neben Bismarck meinen Sitz habe."“
	        
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