Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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war ein warmer, deutscher Patriot, der für die Einigung Deutschlands nicht 
nur die aufrichtigsten Sympathien hegte, sondern sich auch der Notwendigkeit, daß 
die Einzelstaaten dafür Opfer bringen müßten, durchaus nicht verschloß, auch 
in diesem Sinne unablässig auf die Fürsten und auf die kleinstaatlichen Höfe 
und Regierungen einzuwirken bestrebt war, und sicher nicht ohne Erfolg. Man 
wird sogar kaum fehl gehen in der Annahme, daß, wenn der deutsch-nationale 
Gedanke bei dem Kaiser Wilhelm und Kaiser Friedrich schon früh ein vor- 
bereitetes Feld gefunden, Watzdorf darauf einigen Einfluß geübt hat. Insonder-= 
heit möchte dies vom Kaiser Friedrich behauptet werden. 
Also Partikularist war Watzdorf auch nicht mit einem Atemzuge; aber 
seine Ansicht, wie die Einigung Deutschlands herzustellen sei, unterschied sich 
allerdings wesentlich von der Bismarcks. Watzdorf war eine Natur, die jedes 
Verlassen des strenggesetzlichen Bodens perhorreszirte; alles, was nur irgendwie 
in der Politik zu Gewaltthätigkeiten zu neigen schien, war ihm antipathisch. 
Es ist daher begreiflich, daß der kühne Flug der Bismarckschen Politik ihn nicht 
angenehm berührte, sondern ihn mit Sorge erfüllte. Er kannte Bismarck 
äußerlich wohl seit den Tagen des Erfurter Parlaments, politisch war er ihm 
aber nie nahe getreten, abgesehen von der Thätigkeit desselben in Frankfurt. 
Gerade während dieser Zeit aber wird Bismarck selten Ursache gehabt haben, 
mit dem Verhalten der Ernestinischen Kurie unzufrieden zu sein, da diese fast 
immer mit Preußen gestimmt hat. Auch während des Fürstenkongresses in 
Frankfurt (August 1863) hat Watzdorf die weimarische Politik im nationalen 
Sinne geleitet, ebenso als Gegner der Beust-Pfordtenschen Triaspläne. Er war 
gerade wegen seiner nationalen Haltung bei den antipreußischen Mittel= und 
Kleinstaaten übel angeschrieben; desto größeren Einfluß hatte er auf die anderen 
Staaten, die, wie er selbst, sich zum Gothaertum bekannten. Eine Abschwächung 
in dieser Beziehung trat auch nicht ein, als die schleswig-holsteinsche Frage im 
Jahre 1863 aufkam. Dagegen konnte er sich mit den Ereignissen im Jahre 
1866 nicht befreunden. Diese gewaltthätigen Züge in der Bismarckschen Politik, 
die wir heute ja mit Recht als den Niederschlag einer ebenso weitsichtigen und 
geschickten wie energischen Politik bewundern, ließen Watzdorf für die Zukunft 
des Vaterlandes verhängnisvolle Folgen befürchten. Nach der Schlacht von 
Königgrätz wurde, da Watzdorf persona ingrata im preußischen Hauptquartier 
Regierungen gegenüber hauptsächlich die Politik, ein möglichst übereinstimmendes Handeln 
und gemeinschaftliche Einrichtungen durchzusetzen. Mitte September 1870 verschied er, 
nachdem zehn Tage vorher seine Gemahlin vom Schlage getroffen worden war. In den 
damaligen bewegten Zeiten hat selbst die „Weimarer Zeitung“ einen Nekrolog über ihn nicht 
gebracht. Später wollte der Vorstand der großherzoglich sächsischen Bibliothek, Geheimrat 
v. Bojanowski in Weimar, eine Monographie über ihn schreiben; derselbe kam aber leider 
nicht dazu, weil ihm das Material für eine solche Arbeit noch nicht genügend zur Ver- 
fügung stand.
	        
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