Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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ihn sein seltsamer juristischer Scharfsinn, den ich selbst vielfach, besonders in 
den Ausschußsitzungen, zu bewundern Gelegenheit hatte. Infolge dessen hatte 
er denn auch im Schoße jener hohen Körperschaft ein Ansehen erlangt, das die 
Bedeutung des Staatswesens, das ihn abgesandt hatte, weit überragte. Eine 
ungemein große Erfahrung und ein scharfer Blick für Menschen und Dinge 
waren ihm eigen. Schon sein Aeußeres ließ erkennen, daß man eine unge— 
wöhnliche Erscheinung vor sich hatte: groß, mit scharfgeschnittenen, edlen Zügen 
und feurigem Auge.) 
Liebe war keine Natur, die sich dem Kanzler gegenüber hervordrängte, und 
so kam es, daß ihre geselligen Beziehungen sich auf die größeren Festlichkeiten 
beschränkten, welche Bismarck dem Bundesrat gab. *) Ein lebhafter geschäftlicher 
Verkehr entwickelte sich erst, als die braunschweigische Erbfolge akut geworden war. 
Bismarck bat damals Liebe wiederholt, ihn zu besuchen; auch speiste Liebe 
einmal mit dem von Braunschweig nach Berlin berufenen braunschweigischen 
Minister im Kreise der Bismarckschen Familie. Von Politik wurde bei dieser 
Gelegenheit nicht gesprochen. 
Im übrigen wüßte ich das Verhältnis, welches zwischen Liebe und dem 
Kanzler bestand, nicht besser zu illustriren, als durch den Abdruck der zwei 
folgenden, von Bismarck an denselben gerichteten Schreiben:) 
Berlin, den 10. März 1880. 
Eure Excellenz beehre ich mich ganz ergebenst zu benachrichtigen, daß 
Seine Majestät der Kaiser geruht hat, Ihnen Seinen Roten Adler-Orden I. Klasse 
zu verleihen. 
Gestatten mir Eure Excellenz zugleich meiner Freude über diese Allerhöchste 
Anerkennung und meinem Dank für die langjährige, treue Mitarbeit an unserem 
gemeinschaftlichen Werke ganz ergebenst Ausdruck zu verleihen. 
Mit der ausgezeichneten Hochachtung bin ich 
Eurer Excellenz 
ganz ergebenster Diener 
v. Bismarck. 
An den herzoglich braunschweigischen Wirklichen Geheimen Rat 
Herrn v. Liebe Exeellenz. 
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*) Liebe war eng befreundet mit dem langjährigen belgischen Gesandten v. Nothomb 
und mit dem italienischen Botschafter Grafen v. Launay. Als man Prollius zu Grabe 
trug, gab Liebe seinen Todesahnungen mit den Worten Ausdruck: „Als der nächste werde 
ich folgen.“ Liebe war sehr musikalisch. Noch am Abend vor seinem Ableben spielte er 
mit seiner Frau eine Mendelssohnsche Komposition. 
**) Vergl. mein Werk: „Fürst Bismarck und die Parlamentarier“ Bd. I. (2. Auflage) 
S. 81 und 187. 
***) Bisher unveröffentlicht.
	        
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