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von Reuß jüngerer Linie:
Die Fürstliche Regierung von Reuß jüngerer Linie verkenne in keiner
Weise das wohlwollende Bestreben der Reichsregierung, gegenüber den
Ausgaben des Reichs, die sich vielleicht noch durch den Beitrag zur
Unfallversicherung wesentlich erhöhen würden, und den großen Bedürfnissen
der einzelnen Staaten und Gemeinden neue Einnahmegquellen zu verschaffen.
Allein Reuß jüngerer Linie habe eine nicht unbedeutende Tabakindustrie.
Diese treffe nach der erst vor kurzem erfolgten Erhöhung der Steuer das
Monopol wie ein Blitzstrahl, nicht bloß schädigend, sondern vernichtend;
der Verlust werde in keiner Weise ausgeglichen durch eine in vielen Fällen
höchst unsichere Entschädigung. Unter diesen Umständen würde es der Fürst-
lichen Regierung im höchsten Grade erfreulich sein, wenn es möglich wäre,
den vom Monopol erwarteten Ertrag auf andere Weise zu erzielen;
von Bremen:
Der bremische Bevollmächtigte habe namens seiner Regierung aus-
drücklich darauf hinzuweisen, daß die Einführung des Reichs-Tabak-
monopols notwendigerweise den wirtschaftlichen und finanziellen Ruin des
Bundesstaats Bremen herbeiführen werde. Es sei allgemein bekannt und
bei der Vorberatung in den Ausschüssen näher dargelegt worden, daß die
Bedeutung Bremens als eine Handels= und Seestadt mit dem daselbst
konzentrirten großartigen Tabakgeschäft so eng und unauflöslich verknüpft
sei, daß die Zerstörung dieses wesentlich auf der Versorgung Deutschlands
beruhenden mit dem Bestehen eines Reichsmonopols unvereinbaren Ge-
schäftszweiges die Existenzgrundlagen des gesamten bremischen Handels
in verhängnisvoller Weise erschüttern müßte. Der Senat müsse daher
das dringendste Ersuchen an den Bundesrat richten, bei Abwägung der
für und wider die Vorlage redenden Gründe auch diesem Moment das
gebührende Gewicht beizulegen.
Bei der sich hieran anschließenden Einzelberatung wurde zunächst der § 1
des Gesetzentwurfs mit 36 gegen 22 Stimmen angenommen. Dagegen hatten
gestimmt: Bayern, Sachsen, Baden, Hessen, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg,
Reuß jüngerer Linie, Lübeck, Bremen und Hamburg.
Nach erfolgter Einzelberatung wurde bei der Abstimmung über den ganzen
Gesetzentwurf in erster und zweiter Beratung mit 36 gegen die vorerwähnten
22 Stimmen beschlossen, dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes, betreffend das
Reichs-Tabakmonopol, mit einzelnen Abänderungen 1) die Zustimmung zu erteilen.
Die kritische Bundesratssitzung hatte 3½ Stunden gewährt. Der Reichs-
kanzler war nicht erschienen, dafür die Minister v. Könneritz, v. Mittnacht,
Turban, Starck rc.; mit besonderer Wärme trat der Staatssekretär im Reichs-
1) Das Nähere ist dem § 205 der Protokolle von 1882 in der S. 94 Note 4
citirten Ouelle zu entnehmen.