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1883/84 vom Reichstag gefaßten, demnächst vom Bundesrat angenommenen
Beschlüsse und bei einzelnen auf Fraktionsberechnung beruhenden Anschlags-
positionen durch die inzwischen gewonnenen weiteren Erfahrungen bedingt waren.
Neue Forderungen seien nur insoweit gestellt, als für dieselben eine unzweifel-
hafte Dringlichkeit geltend zu machen war. Von der Wiederholung solcher
Forderungen, deren Ablehnung bei Beratung des Etats für 1883/84 als eine
— nach der Absicht des Reichstags — nicht bloß zeitweilige anzusehen war,
sei Abstand genommen.
Nach dem Beschlusse des Bundesrats vom 16. April 1883 balancirte
das Budget für 1884/85 mit ca. 600 Millionen Mark, wovon auf das
Ordinarium 550, auf das Extraordinarium 49 Millionen entfielen.
Am 15. Mai 1882 machte der Reichskanzler (in Vertretung Scholz) dem
Bundesrat eine Vorlage, welche sich auf die Anwendung des Gesetzes über
die Reichsstempelabgaben vom 1. Juli 1881 bezog. 2) Es hatte die Er-
hebung dieser Abgabe, wie bei der höchst mannigfaltigen Gestaltung der
Formen des davon berührten Handelsverkehrs zu erwarten war, innerhalb des be-
teiligten Publikums zu einer großen Anzahl von Zweifeln Anlaß gegeben. Auch
zwischen den Landesregierungen waren Meinungsdifferenzen hervorgetreten, deren
Beseitigung eine Entscheidung des Bundesrats erheischte. Man hatte dabei auch
einige weitere zweifelhafte Fragen berücksichtigt, und zwar an der Hand der
Beratungen, welche im November vorigen Jahres von Delegirten mehrerer
Handelskammern in Berlin gepflogen worden waren. In der Zuschrift an den
Bundesrat hieß es:
„Wenngleich durch die Entscheidung des Bundesrats ein abschließendes
Urteil über diese Zweifelfragen insofern nicht zu gewinnen ist, als die Gerichte
bei ihren Entscheidungen an die Beschlüsse des Bundesrats nicht gebunden sind,
so wird dadurch doch zunächst die notwendige Uebereinstimmung in der An-
wendung des Gesetzes durch die Verwaltungsbehörden gesichert werden. Ob
und wie weit etwaigen abweichenden Entscheidungen der Gerichte ein Einfluß
auf die Handhabung des Gesetzes durch die Verwaltungsbehörden einzuräumen
sein wird, wird in jedem einzelnen Falle näherer Prüfung vorzubehalten und
demgemäß Wert darauf zu legen sein, daß die Entscheidungen der Gerichte,
insoweit sie für die Auslegung und Anwendung des Gesetzes von Bedeutung
sind, zur Kenntnis der Bundesregierungen gebracht werden. Es möchte
sich deshalb empfehlen, daß von derartigen rechtskräftigen Entscheidungen,
namentlich von denen des Reichsgerichts, seitens der beteiligten Bundes-
regierung dem Reichskanzler zur geeigneten weiteren Veranlassung Kenntnis
gegeben werde."“
2) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Der volle Wortlaut der Bundesrats-
Drucks. Nr. 68 findet sich in der S. 94 Note 4 erwähnten Quelle. Der Ausschußantrag
findet sich ebendaselbst als Drucks. Nr. 77.