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Eine zweite Kaiserliche Botschaft vom 14. April 1883 legte dem Reichstag
ans Herz, wenigstens alsbald in die Beratung des Etats pro 1884/85 ein-
zutreten.
In handelspolitischer Beziehung konnte in dieser Session etwas
inhaltlich Bedeutsames bei der herrschenden Handelspolitik nicht zum Abschluß
gelangen; am meisten Schwierigkeiten machte die Gestaltung des handelspolitischen
Verhältnisses zu Spanien; jedoch wurde der Gefahr eines rücksichtslosen Zoll-
kriegs noch in letzter Stunde vorgebeugt.
Die wohlthätigen Wirkungen, welche die von Bismarck im Jahre 1879
inaugurirte Zolltarifreform hervorgerufen hatte, weckten in ihm den
Wunsch, nicht nur an der gewonnenen Position festzuhalten, sondern dem Frei-
handel womöglich noch weiteres Terrain abzugewinnen. Zwei mit dem Bundes-
rat vereinbarte Gesetzentwürfe markiren in dieser Session diese Absicht; der
eine bezweckte — abgesehen von der Rückvergütung des Eingangszolls bei Aus-
fuhr von Mühlenfabrikaten — einen höheren Zollschutz für mineralische Stoffe
und einzelne Kurzwaren, der zweite eine Erhöhung der Holzzölle. Im Reichs-
tag ging nur der erste Entwurf durch, und selbst dieser in der Hauptsache nur
mit Beschränkung auf die Mühlenfabrikate.
Die Zollanschlußfrage, die in den vorausgehenden Sessionen im
Bundesrat zu so heftigen Kämpfen Anlaß gegeben hatte, verlief in dieser
Session ganz glatt; die Punkte, die der Erledigung bedurften, waren aber auch
nur sekundärer Natur.
Das Bedürfnis einer Remedur auf dem Gebiete des Gewerbebetriebs
im Umherziehen war schon seit Jahren anerkannt und sprach sich in zahl-
reichen an den Reichskanzler gerichteten Anträgen aus, welche eine Reform des
Gewerbebetriebs im Umherziehen mit steigender Dringlichkeit forderten. Die
Erfahrungen, die man mit den geltenden Bestimmungen machte, unterstützten
diese Anträge. Die darin enthaltenen Wünsche bewegten sich jedoch in verschiedenen
Richtungen. Am weitesten gingen diejenigen, welche forderten, daß der Gewerbe-
betrieb im Umherziehen nicht ferner mit dem stehenden Gewerbebetrieb gleich-
berechtigt sein soll, oder daß zum Schutze des letzteren gegen die Konkurrenz
der Hausirer ein Ausschluß verschiedener Warengattungen vom Gewerbebetrieb
im Umherziehen erfolge. Die Notwendigkeit einer so radikalen Umgestaltung
des bestehenden Rechtszustandes war indessen, wie Bismarck glaubte, nicht dar-
gethan. Wohl aber schien ihm eine Aenderung beziehungsweise Ergänzung der
Gewerbeordnung in der Richtung geboten, daß den Gefahren, welche der
Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheit.
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. V.