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wolle er sich noch nicht bestimmt aussprechen; für sehr wünschenswert aber
würde er halten, daß Instruktionseinholung und Besprechung auf der Grund-
lage eines bestimmten Antrages erfolgen; wenn die Königlich sächsische Re-
gierung einen solchen ihrer Erklärung anzufügen nicht in der Lage sei, stelle
er folgenden vorläufigen Antrag: Es wolle nach dem von dem Königlich
sächsischen Bevollmächtigten angeregten vorgängigen Meinungsaustausch kon-
statirt werden, daß bezüglich der Errichtung eines verantwortlichen Reichs-
ministeriums in den Anschauungen der verbündeten Regierungen, wie sie früher
dahin kundgegeben wurden, daß jene Errichtung mit den Grundlagen der
Reichsverfassung, insbesondere der verfassungsmäßigen Stellung des Bundesrats
unvereinbar sei, eine Aenderung nicht eingetreten sei.“
Am 2. April 1884 fand in einer Sitzung des Bundesrats unter An-
wesenheit Bismarcks ein Meinungsaustausch über die Stellung zu dem Antrage
der verantwortlichen Reichsministerien statt. !1) Die Ausführungen Bismarcks
sind nicht bekannt geworden, sie werden sich aber wohl in dem Gedanken-
gang der sogleich folgenden Erklärung der preußischen Regierung bewegt haben.
Es scheint, daß die Bevollmächtigten die Einholung von Instruktionen für
erforderlich erachtet haben, und daß man es darauf hin für gut fand, den
Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen.
In der unter dem Vorsitze des Staatsministers v. Boetticher am 5. April
1884 abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde namens der Königlich
preußischen Regierung nachstehende Aeußerung abgegeben:
„Indem die Königlich preußische Regierung auf den von der Königlich
sächsischen unter dem Datum des 24. v. M. angeregten Meinungsaustausch
eintritt, teilt sie den prinzipiellen Standpunkt der Königlich sächsischen Regierung
1) „Vossische Ztg.“ Nr. 160 v. 3. April 1884 u. „Nat. Ztg.“ Nr. 210 v. 2. April
1884. Der übliche offizielle Bericht über diese Sitzung erwähnt diesen Gegenstand nicht
(„Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 161 v. 4. April 1884), es heißt, den Vorsitz habe v. Boetticher
und später v. Scholz geführt. Hieraus muß man schließen, daß es sich, solange Bismarck
zugegen war, um eine förmliche Sitzung des Bundesrats nicht gehandelt haben kann. Die
„Nat. Ztg.“ Nr. 215 v. 5. April 1884 schrieb hierzu: „Es ist aufgefallen, daß der offizielle
Bericht über die letzte Sitzung des Bundesrats über die Anwesenheit des Fürsten Bismarck
in derselben und seine Teilnahme an den Beratungen Stillschweigen bewahrt. Man weiß
freilich, daß über den Meinungsaustausch hinsichtlich der Forderung eines verantwortlichen
Reichsministeriums Stillschweigen bewahrt werden soll, doch ist es merkwürdig, daß dies
selbst auf die Anwesenheit des Fürsten Bismarck in der betreffenden Bundesratssitzung
ausgedehnt wird. Wir hören, daß der Reichskanzler dem größten Teil der Sitzung bei-
gewohnt und an der Beratung über die erwähnte Angelegenheit erheblichen Anteil ge-
nommen hat. Es wird angenommen, daß das Ergebnis der Beratungen zu einer öffent-
lichen Kundgebung Anlaß geben wird. Es heißt, daß in den nächsten Tagen eine Plenar-
sitzung des Bundesrates zu erwarten sei, und man wird kaum irren, wenn man annimmt,
daß dieselbe in irgend einer Weise eine Beschlußfassung in der beregten Angelegenheit
bringen wird.