Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

— 7 — 
In einer Reichstagsrede vom 24. Januar 1882 sprach Bismarck zur 
Ueberraschung mancher Hörer die Ansicht aus, es sei nicht unbedingt notwendig, 
daß der jeweilige Reichskanzler zugleich Bundesratsbevollmächtigter sei, und falls 
er es einmal nicht wäre, würde es sehr zweifelhaft sein, ob er das Recht hätte, 
im Namen der Regierungen im Reichstag zu sprechen, da die Verfassung das- 
selbe nur den Mitgliedern resp. Kommissaren des Bundesrats beilegt. Die 
Frage hat die Kommentatoren des Reichs-Staatsrechts schon häufig beschäftigt. 1) 
In Stellvertretung des Reichskanzlers übersandte der Staatssekretär 
v. Boetticher dem Bundesrat unterm 4. April 1882 2) folgende Mitteilung: 
„Nach § 3 der Geschäftsordnung sollen die wichtigeren Geschäftsaufgaben des 
Bundesrats und insbesondere die Gesetzesvorlagen von einem durch den Reichs- 
kanzler für jede Session zu bestimmenden Zeitpunkte an in möglichst rasch sich 
folgenden Sitzungen, welchen die ersten Bevollmächtigten der Regierungen an- 
wohnen werden, zur definitiven Erledigung gebracht werden. Im Hinblick auf 
diese Bestimmung beehre ich mich, den Bundesrat ganz ergebenst in Kenntnis 
zu setzen, daß beabsichtigt wird, die wichtigeren der während der bevorstehenden 
Session dem Reichstag vorzulegenden Entwürfe in der mit dem 16. d. M. 
beginnenden Woche bezw. in den darauf folgenden Wochen zur Beratung der 
Ausschüsse bezw. des Plenums des Bundesrats zu stellen." 
Demnächst trafen zu den sogenannten Ministerkonferenzen in Berlin u. a. 
ein: der bayerische Finanzminister v. Riedel, der württembergische Staatsminister 
v. Mittnacht, der badische Ministerpräsident Turban, der badische Finanzminister 
Ellstätter, der mecklenburg-schwerinsche Finanzchef, Geheimer Rat v. Bülow, und 
der hessische Minister v. Starck. 
In der Sitzung des Reichstags vom 12. Januar 1882 nahm der Staats- 
minister v. Boetticher den Bundesrat in Schutz gegenüber dem Abgeordneten 
Richter, der behauptet hatte, Bismarck benutzte denselben als Kulisse. 3) 
Die Beantwortung der Interpellation Windthorst wegen Aufhebung des 
Gesetzes über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern 
vom 4. Mai 1874 lehnte der Staatssekretär v. Boetticher in der Sitzung des 
Reichstags vom 13. Dezember 1882 deswegen ab, weil der Reichskanzler die 
Verantwortung für Beschlüsse des Bundesrats so wenig trage wie das Präsi- 
dium des Reichstags für die des letzteren, und daß ebensowenig Reichskanzler 
wie Präsident die Gründe für die Beschlüsse der von ihnen präsidierten Körper- 
schaften amtlich feststellen könnten. 1) Dagegen warf Reichensperger die Frage 
1) Vergl. die „Nat.-Ztg.“ Nr. 47 v. 28. 1. 82. u. Nr. 50 v. 30. 1. 82. 
2) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. 
3) Stenograph. Bericht S. 572. 
4) Stenograph. Bericht S. 749.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.