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Der Berufung Puttkamers in das Ministerium des Innern folgt bereits
im Oktober 1881 seine Ernennung zum Vizepräsidenten des preußischen
Staatsministeriums; eine Zurücksetzung der älteren Minister v. Kameke und
Maybach konnte darin nicht erblickt werden, da diese Herren mehr technische
als politische Ressorts bekleideten; Puttkamer eignete sich in der That im Hin-
blick auf seine glänzende oratorische Gabe vorzüglich für die Stellung als
Vizepräsident zur Verteidigung der Politik des Fürsten Bismarck, als dessen
Vertrauensmann er bereits seit Jahren galt.
Im Dezember 1883 brachte die „Kölnische Zeitung“ folgenden Artikel:
„Das Staatsministerium hatte zwar beschlossen, sich gegen den Sternschen
Antrag auf geheime Abstimmung zu erklären, aber ohne der Sache Wichtigkeit
beizulegen, wie denn ja eine Abstimmung im Abgeordnetenhause für den An-
trag ohne Folgen geblieben wäre, da die Ablehnung im Herrenhause sicher
war. Inzwischen traf aber ein Schreiben des Reichskanzlers aus Friedrichs-
ruh ein, in welchem er empfahl, die geheime Abstimmung aufs nachdrücklichste
zu bekämpfen. Das ist denn auch von dem Minister des Innern v. Putt-
kamer geschehen, und es hat der Reichskanzler für sein Auftreten im Ab-
geordnetenhause ihm den lebhaftesten Beifall gespendet. Freilich hat Fürst
Bismarck das preußische Wahlsystem mit seiner offenen Stimmabgabe ehemals
aufs schärfste verurteilt und die geheime Stimmabgabe im Reiche selbst
eingeführt.“
Hierzu bemerkte die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 595 v. 20. 12. 83: „Nach
eingezogenen Erkundigungen halten wir die thatsächlichen Angaben der „Köln.
Ztg.“ für durchaus richtig, wenn auch für unvollständig. Wenn die
„Köln. Ztg.“ so genau über intime Vorgänge im Innern der Regierungskreise
unterrichtet ist, wie aus ihren Angaben hervorgeht, so wird ihr vielleicht auch
der Umstand nicht unbekannt geblieben sein, daß das Votum des Reichskanzlers
neben der Empfehlung einer nachdrücklichen Bekämpfung der geheimen Ab-
stimmung auch eine Erklärung zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts bei
Landtags= und Gemeindewahlen unter Beibehaltung der Oeffentlichkeit enthielt.
Schon aus diesem Umstande würde, wenn die „Köln. Ztg.“ ihn bekannt
gegeben hätte, jedermann entnommen haben, daß der Reichskanzler die
Oeffentlichkeit der Abstimmung mit der Beibehaltung des allgemeinen Stimm-
rechts nicht nur verträglich hält, sondern zu weiterer Ausdehnung des letzteren
geneigt ist, und daß er nicht das allgemeine Stimmrecht, sondern nur die
Heimlichkeit in der Ausübung desselben bekämpft.
Wir können nur bestätigen, daß der Reichskanzler Herrn v. Puttkamer
schreibung, nur eine kleine Minorität von Buchhändlern, Gelehrten und Lehrern hat den
Gegenstand auf die Tagesordnung gebracht. Die deutsche Orthographie hat sich seit Jahr-
hunderten selbst entwickelt, und es ist nicht ersichtlich, weshalb wir auch sie der bureau-
kratischen Reglementirsucht unterworfen sein lassen sollten.