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Ueber das Verhältnis zwischen dem Fürsten Bismarck und dem Minister
v. Puttkamer wurde dem „Berliner Tageblatt“ Nr. 514 v. 10. 10. 89 ge-
schrieben:
„Schon jahrelang vor der Entlassung Puttkamers durch den Keiser
Friedrich bestand zwischen dem Kanzler und dem ultrakonservativen, dabei auch
sehr eigenwilligen Minister des Innern ein sehr kühles Verhältnis, wiewohl
Puttkamer ein Verwandter der Familie Bismarck ist. Es war weniger die
Politik Puttkamers, als vielmehr die Art und Weise, sich zu geben und jene
Politik nach außen hin zu vertreten, was dem Fürsten Bismarck mißfiel. Wenn
gleichwohl keine „Friktionen“ zwischen dem Kanzler und dem Minister des
Innern vorkamen, so hatte dies seinen Grund lediglich darin, daß beide so gut
wie gar nicht miteinander verkehrten. Puttkamer hatte vor den übrigen
„Ministern zweiten Ranges“ den Vorteil voraus, daß er fast täglich in der
Umgebung des hochbetagten Kaisers Wilhelm war, der die gewohnten Gesichter
gerne bei sich behielt und einen notwendigen Wechsel hierin auf das un-
angenehmste empfand. „Ich kann mich bei meinem Alter nicht mehr fort-
während an neue Gesichter gewöhnen,“ sagte einmal der Kaiser bei einer ähn-
lichen Gelegenheit. Hierin lag die Stärke des Herrn v. Puttkamer, und er
ist außer dem Kriegsminister vielleicht das einzige Mitglied des Kabinets ge-
wesen, das in seinen amtlichen Funktionen von der Superiorität des Kanzlers
sich nicht abhängig machte. Als aber zur Zeit der Waldersee-Versammlung
Herrn v. Puttkamer es passirte, die Zirkel seines großen Vetters ernstlich stören
zu wollen, da bekam er den bekannten Denkzettel in der „Norddeutschen All-
gemeinen Zeitung“, und es widerfuhr dem hochmögenden Herrn Minister, daß
sein diesem Blatte eingesandter „Berichtigungsartikel“ auf mehr oder minder
höfliche Art in den Orkus des Papierkorbs versenkt wurde. Bald darauf ver-
schwand der Minister selbst von der Bildfläche, aber nicht gegen den Willen
Bismarcks, sondern in vollem Einverständnis mit demselben.“
An dieser Darstellung ist so ziemlich alles falsch; richtig ist nur, daß
v. Puttkamer Bismarck gegenüber eine festere Haltung hatte als irgend einer
seiner Minister-Kollegen infolge der großen Vertrauensstellung, der er sich bei
Kaiser Wilhelm I. erfreute. 1) Uebrigens wollte Puttkamer, wie er kurz vor
seinem Rücktritt noch im Reichstag bei der Beratung des Sozialistengesetzes
bemerkte, nichts anderes sein, als „der treue Gehilfe der monarchischen und
nationalen Politik des Herrn Reichskanzlers".)
1) Vgl. auch, was Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ Bd. II.
S. 133 und 194 über Puttkamer sagt.
2) Nach den „B. N. N.“ nahm Bismarck im Frühjahr 1888 bei Beratung des
Rickertschen Antrags über die Wahlgeometrie im Abgeordnetenhause Veranlassung, sein
ausdrückliches Einverständnis mit dem durch Herrn v. Puttkamer vertretenen Standpunkt
diesem gegenüber auszusprechen und seine Anerkennung zu äußern über die Festigkeit und
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. V. 12