Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Der Justizausschuß des Bundesrats wollte es bei der Zahl von 12 Ge- 
schworenen belassen und nur Erleichterungen betreffs der Zahl der zur eventuellen 
Verwendung bestimmten Personen herbeiführen. 1) Diesen Anträgen widersprach 
indessen Preußen, welches noch vor der Beratung im Plenum nachstehenden 
Antrag einbrachte: „Der Bundesrat wolle beschließen, mit den Anträgen des 
Ausschusses für Justizwesen eine Verminderung der Zahl der Urteilsgeschworenen 
in nachstehender Weise zu verbinden: § 297 Abs. 2. Zur Verneinung der 
Frage nach dem Vorhandensein mildernder Umstände genügt eine Mehrheit von 
vier Stimmen. § 307 Abs. 2. Bei jeder dem Angeklagten nachteiligen 
Entscheidung ist anzugeben, daß dieselbe mit mehr als vier Stimmen, bei 
Verneinung der mildernden Umstände, daß dieselbe mit mehr als drei Stimmen 
gefaßt worden ist. Im übrigen darf das Stimmenverhältnis nicht aus- 
gedrückt werden.“ 2) 
Der von Bismarck eingebrachte Antrag interessirte denselben so lebhaft, 
daß er bei der Beratung desselben im Plenum des Bundesrats am 30. April 
seit langer Zeit wieder daselbst erschien. Die Sitzung war auf 2 Uhr im alten 
Reichstagsgebäude in der Leipziger Straße angesetzt, und der Reichskanzler er- 
schien bereits vor Beginn derselben. Der Justizminister Dr. Friedberg vertrat 
den preußischen Standpunkt und besonders den neuen preußischen Antrag. Der 
Staatssekretär v. Schelling wies die Bedenken betreffs der Bedürfnisfrage zurück 
und verwies ganz besonders auf die im Laufe der Jahre stattgehabten Ver- 
handlungen des Reichstags. Fürst Bismarck beteiligte sich sehr eifrig und warm 
an den Debatten und verbreitete sich in längerer Rede über die Anträge der 
Regierung; er wünschte deren Annahme. Seitens der Mehrzahl der Bevoll- 
mächtigten wurde der Wunsch geltend gemacht, die neu entwickelten Gesichts- 
punkte und namentlich den Inhalt der Rede des Reichskanzlers ad referendum 
zu nehmen. Hiernach gestaltete sich die ganze Debatte lediglich zu einem Mei- 
nungsaustausch,) weshalb der offizielle Bericht des „Reichsanzeigers“ über die 
Sitzung diesen Gegenstand und die Anwesenheit Bismarcks überhaupt nicht 
erwähnte. 
In der Sitzung vom 5. Mai 1885 wurde sodann der Antrag wegen 
Herabsetzung der Zahl der Geschworenen von 12 auf 7 und der weiter dazu 
gehörige Antrag Preußens angenommen. Die Vorlage blieb im Reichstag unerledigt. 
1) Die Vorschläge des Justizausschusses finden sich in der „Nat.-Ztg.“ Nr. 274 
v. 29. 4. 85. 
2) „Nat.-Ztg.“ Nr. 277 v. 1. 5. 85. 
3) Die „Nat.-Ztg.“ Nr. 280 v. 2. 5. 85 wußte noch zu berichten: Die gestrige 
Bundesratssitzung wurde heute in den parlamentarischen Kreisen lebhaft besprochen. Bisher 
war die Opposition gegen die preußischen Vorschläge, besonders seitens einiger süddeutschen 
Staaten, sehr energisch; nach der Rede des Fürsten Bismarck wurden die Opponenten jedoch 
ziemlich kleinlaut und erachteten den Antrag des weimarschen Bevollmächtigten auf Ver- 
tagung der Angelegenheit als ein „erlösendes Wort".
	        
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