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der Regierungsgewalt seitens Höchstdesselben entgegenzutreten. Erst wenn der
Regierungsantritt des Herzogs wider Verhoffen Streitigkeiten zwischen den
Bundesstaaten Preußen und Braunschweig herbeiführen sollte, würde zur Er-
ledigung derselben auf Anrufen des einen oder andern Teiles nach Art. 76
der Reichsverfassung der Bundesrat berufen sein.“
Der Bevollmächtigte für Reuß älterer Linie erklärte, daß er namens der von
ihm vertretenen Regierung im wesentlichen aus denselben Gründen, welche der
Bevollmächtigte für Mecklenburg-Strelitz verlautbart, gegen den Antrag gestimmt
habe. Die Stimmenthaltung Oldenburgs wurde durch folgende Erklärung
begründet:
„Die Großherzoglich oldenburgische Regierung würde in Anbetracht der
Wichtigkeit des Gegenstandes eine schriftliche Berichterstattung des Ausschusses
gewünscht haben und enthält sich der Abstimmung, weil nach ihrer Auffassung
in Ermangelung einer solchen Grundlage die rechtliche und politische Tragweite
der zu fassenden Entschließungen sich nicht mit genügender Sicherheit beur-
teilen läßt." ·
Am 11. August 1885 brachte Fürst Bismarck aus Varzin in seiner Eigen—
schaft als Vorsitzender des Bundesrats den Beschluß des Bundesrats vom
2. Juli zur Kenntnis des Regentschaftsrats für das Herzogtum Braunschweig.!)
Streitigkeit wegen Stauung des Dechower Sees. Im
Oktober 1884 legte der Reichskanzler dem Bundesrat den Antrag Preußens,
betreffend die Erledigung einer Streitigkeit zwischen Preußen und Mecklenburg—
Strelitz wegen Stauung des Dechower Sees, vor. Die Erledigung zog sich bis
in das Jahr 1887 hinaus.
Kolonialpolitik. In dieser Periode wurde der Bundesrat zuerst mit
der von Bismarck inaugurirten Kolonialpolitik befaßt; es geschah dies in der
Form der sogenannten Weißbücher, welche in der gleichen Fassung auch dem
Reichstag mitgeteilt wurden. In dieser Session legte Bismarck dem Bundes-
rat Aktenstücke vor:2) betreffend 1. die Unterstellung des Togogebiets und einiger
an der Biafra-Bai belegenen Küstenstriche unter den Schutz Seiner Majestät des
Kaisers, Schreiben vom Dezember 1884; 2. die Unterstellung von Angra
Pequenna unter den Schutz Seiner Majestät des Kaisers, ferner Aktenstücke,
betreffend deutsche Interessen in der Südsee, Schreiben vom Dezember 1884;
1) Das obenstehende Schreiben ist in Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Die Kenntnis
desselben beruht auf den in der „Vossischen Ztg.“ Nr. 492 v. 21. 10. 85 mitgeteilten
Aktenstücken in der braunschweigischen Frage: 1. Schreiben des braunschweigischen Staats-
ministeriums an die Landesversammlung. 2. Bericht der staatsrechtlichen Kommission über
das Schreiben des braunschweigischen Staatsministeriums vom 4. Oktober, die Rechts-
verwahrung des Herzogs von Cumberland betreffend, nebst Anlagen.
2) In Kohls Bismarck-Regesten durchweg übersehen.