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von dem gesetzlichen Standpunkt, wozu würde es führen, wenn Herrn Richter
die Befugnis zustände, die Mitglieder des Bundesrats in den Reichstag zu
citiren?! Preußen hat 17 Bevollmächtigte und 14 Stellvertreter im Reichs-
tage, sämtlich Minister, Unterstaatssekretäre, Direktoren u. s. w., die dem
Winke Herrn Richters Folge zu leisten hätten. Letzterer könnte die preußische
Staatsmaschine nach Belieben für Monate zum Stillstand bringen. Die Be-
lehrung, die unfre leitenden Beamten aus den Richterschen Reden schöpfen
könnten, würde diesen Nachteil kaum aufwiegen.“
Mit Befriedigung konstatirte die „Nationalliberale Korrespondenz“ im
November 1885, daß die Versuche der Presse des Centrums und auch einiger
deutschfreisinnigen Blätter, den Bundesrat gegen die Reichsregierung, die
kleineren Bundesstaaten gegen Preußen aufzuhetzen, bisher den erstrebten Erfolg
nicht gehabt haben. „Es hat sich“, schrieb sie, „bei den deutschen Staaten die
Ueberzeugung immer mehr festgesetzt, daß das Reich, nachdem es einmal an
sich genommen, was für die nationale Einheit und ein würdiges Dasein des
deutschen Volkes nicht entbehrt werden konnte, sich von Eingriffen in die be-
rechtigte Sonderexistenz der Einzelstaaten fern hält und in Wahrheit der
festeste sicherste Schutz für den Bestand dieser Sonderexistenz, für einen gesunden
und berechtigten Partikularismus ist. Auf dieser Ueberzeugung beruht zum
größten Teil die Festigkeit des Reichs. Das vertrauensvolle Zusammenwirken
der Regierungen gegenüber den Aufgaben der nationalen Politik ist einer der
erfreulichsten Züge in unseren vaterländischen Zuständen und geradezu frevel-
haft ist es, dies Einvernehmen durch Verhetzen und Unfriedenstiften stören zu
wollen."
In der Sitzung des Bundesrats vom 23. Juni 1886 widmete der
Staatssekretär des Innern, Staatsminister v. Boetticher, im Allerhöchsten Auf-
trage dem König Ludwig II. von Bayern folgenden Nachruf:
„Seine Majestät der Kaiser haben mich zu beauftragen geruht, im Schoße
des Bundesrats den Empfindungen Ausdruck zu geben, welche Allerhöchst-
dieselben gegenüber dem tieferschütternden Verluste hegen, den durch den Hin-
tritt weiland Seiner Majestät des Königs Ludwig II. von Bayern Kaiser und
Reich erlitten haben.
„Seine Majestät der Kaiser erinnern sich in unvergänglicher Dankbarkeit
an die verständnisvolle Mitwirkung, mit welcher König Ludwig einst an der
Neubegründung des Reichs beteiligt gewesen ist, an die der Entwickelung und
Förderung der Reichseinrichtungen von dem heimgegangenen Bundesgenossen
allezeit bereitwillig gewährte Unterstützung, an die Bundestreue, welche der
hochselige König Allerhöchst Ihnen sowie den einzelnen Gliedern des Reiches
selbstlos und thatkräftig erwiesen hat.
„Je lebhafter dieser Dank, um so aufrichtiger ist die Trauer, welche mein
erhabener Herr über das Hinscheiden Seiner Majestät des Königs Ludwig