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Politik verdanken wir es, daß viele kleine Dynastien sich mit dem Reiche aus-
gesöhnt haben. Fürst Bismarck hat in wichtigeren Dingen als in der
oben erwähnten Frage dem Föderalismus Konzessionen gemacht. Wir erinnern
an die förderativen Garantien des Antrages des Freiherrn von Franckenstein
vom Jahre 1879, an die Verlegung des Reichsgerichts nach Leipzig u. s. w.
Fürst Bismarck hat aber bei allem Bestreben, versöhnlich zu wirken, stets
gezeigt, wie wenig er geneigt ist, dem Bundesverhältnis Zugeständnisse
zu machen, die mit den Interessen des nationalen Ganzen unverträglich er-
schienen. Er trat einmal dem Grafen Münster im Reichstage gegenüber,
welcher auf allen Goldmünzen das Bildnis des Kaisers haben wollte, während
die Regierungen dasjenige ihrer Landesherren verlangten. Er sagte damals:
„Wenn es sich um Interessen des Reiches handelt, durch die seine Einheit und
sein Vorteil wirklich bedingt ist, dann habe ich auch bewiesen, daß die par-
tikularistischen Bedenken unserer Bundesgenossen mich nicht abhalten, die
Majorität Preußens im Bundesrat geltend zu machen. Für diese Frage aber
einen Druck auf die Bundesgenossen auszuüben, dazu hat uns Gott die Macht,
die Preußen in Deutschland hat, nicht gegeben.“ In diesen Worten bezeichnete
Fürst Bismarck die Grenzen seiner Nachgiebigkeit gegen den Partikularismus,
und er hat diese Grenzen wiederholt zu hüten gewußt. Dem Föderalismus
sein Recht, aber dem Reichsgedanken das Vorrecht; das war die Politik
Bismarcks.
Die Frage nahm später im Reichstag eine Wendung im Sinne der
ursprünglichen Vorlage des Reichskanzlers, und der Bundesrat beschloß in der
Sitzung vom 15. April 1886, dem Gesetzentwurf über die Rechtsverhältnisse
in den deutschen Schutzgebieten in der Fassung, die er im Reichstag in zweiter
Lesung erhalten hatte, zuzustimmen. Durch diese wurde die Beteiligung des
Bundesrats bei dem Erlaß Kaiserlicher Verordnungen für das Schutzgebiet,
welche in dem Regierungsentwurf nicht enthalten, vom Bundesrat aber hinein-
korrigirt worden war, wieder gestrichen. Wie verlautete, hatte dies seitens einiger
mittelstaatlichen Regierungen im Bundesrat zu Verwahrungen geführt, die
auch an Aeußerungen anknüpften, welche in der Reichstags-Kommission über
den verfassungsmäßigen Anteil des Bundesrats an der Reichs-Exekutive gefallen
waren.1)
Preßgesetz. Um den Anfang November 1885 befaßte der Reichskanzler
den Bundesrat mit dem Antrag der preußischen Regierung, dem § 22 des
Preßgesetzes vom 7. Mai 1874 folgende Bestimmung hinzuzufügen:
„So lange der Thäter nicht ermittelt ist oder außer dem Bereiche der in-
ländischen Gerichtsgewalt sich befindet, ruht die Verjährung gegen denselben,
1) Zu vergl. ist die Erklärung, welche der Staatssekretär des Reichs-Justizamts am
10. April 1886 über die Stellung des Bundesrats zur Frage abgab.