Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

— 249 — 
bahnen in Preußen bedingte Verhandlungen mit dem Auslande beziehungsweise 
mit andern deutschen Staaten zu bearbeiten gehabt. 
Der Handelspolitik im engeren Sinne ist er, abgesehen von gelegentlichen 
früheren Vertretungen der betreffenden Referenten und von der ihm als besonderes 
Kommissorium übertragenen Mitwirkung bei den langwierigen Verhandlungen 
und dem Abschlusse der ersten Handelskonvention mit dem damaligen Fürstentum 
Rumänien von 1877, erst näher getreten, als ihm 1886 die Leitung der 
handelspolitischen Abteilung übertragen wurde. 
Die Vielseitigkeit der in derselben bearbeiteten Materien 1) stellte um so 
größere Anforderungen an den Direktor der Abteilung, als diesem nach dem 
damals eingeführten Gebrauche im wesentlichen die sämtlichen Vorträge bei dem 
Staatssekretär oblagen. 
Auf handelspolitischem Gebiete fand er das Terrain durch seinen Vor- 
gänger, Grafen v. Berchem, aufs beste vorbereitet, so daß es im wesentlichen galt, 
das Vorhandene zu erhalten und bei den Neuverhandlungen im Bismarckschen 
Sinne auszugestalten, wozu sich ihm auch bezüglich derjenigen Vertragsabschlüsse, 
die nicht unter seiner persönlichen Beteiligung erfolgten, durch seine Mitwirkung 
bei der Instruktionserteilung an die deutschen Unterhändler und durch die ihm 
beiwohnende langjährige Tradition reiche Gelegenheit bot. 
Im übrigen hat er, wie die mir vorliegenden namhaften Preßstimmen 
anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienste besonders hervorgehoben haben, 
eine seiner Hauptaufgaben darin erblickt, wo immer möglich mit den deutschen 
Interessenten beziehungsweise Interessentengruppen, sowohl bei der Behandlung 
der Wünsche und Reklamationen derselben, als auch bei Verwertung des dem 
Auswärtigen Amt zu Gebote stehenden Auskunftsmaterials direkte Fühlung 
zu halten. 
Während im allgemeinen Fürst Bismarck, wo er persönlich eingriff, seine 
Instruktionen 2) durch die Vermittlung des Staatssekretärs oder Unterstaats- 
sekretärs erteilte, erforderte er doch in besonders wichtigen Fällen hin und 
wieder den Vortrag der Direktoren und selbst der vortragenden Räte. In beiden 
Eigenschaften ist auch Reichardt im Laufe der Jahre wiederholt zum persönlichen 
Vortrag verstattet worden. 
Zu den sogenannten Bismarckschen Intimen gehörte er nicht, gleichwohl 
1) Außer der eigentlichen Handelspolitik unter anderm noch das Konsulatswesen 
(einschließlich der Konsulatspersonalien), das Eisenbahn-, Post= und Telegraphenwesen, 
Auswanderungswesen, Geistiges Eigentum, Ausstellungswesen, Sanitäts-, Veterinär= und 
Quarantänewesen, See= und Flußschiffahrt, Fischerei. 
2) Reichardt teilte mir mit dem Bemerken, sie sei ihm mehr als bloß in der Erinnerung ver- 
blieben, diejenige generelle Instruktion mit, welche Bismarck, als er sich 1870 ins Hauptquartier 
begab, mündlich im Ausw. Amt zurückließ, dahingehend: „In wichtigen Dingen verlassen 
Sie sich niemals auf die bloße Versicherung, daß ein erteilter Auftrag ausgeführt sei, son- 
dern überzeugen Sie sich stets persönlich davon, daß es geschehen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.