Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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hatte er sich der vollen Anerkennung seitens des Fürsten zu erfreuen, wie dies 
bei verschiedenen Gelegenheiten und zuletzt noch beim Rücktritt des Fürsten zum 
Ausdruck gelangte. Dieser hatte gerade der ersten vorbereitenden Sitzung des 
Staatsrats in der Arbeiterschutzfrage im Reichsamt des Innern präsidirt und 
begab sich durch das mit diesem räumlich verbundene Auswärtige Amt nach 
dem Reichskanzlerpalais zurück, als er — unangemeldet — in voller Gala— 
uniform in dem Arbeitszimmer Reichardts erschien und dort längere Zeit ver— 
weilte. Nachdem er Reichardt mitgeteilt, daß dieser zum Vertreter des Aus— 
wärtigen Amts in der bevorstehenden internationalen Arbeiterschutzkonferenz 
ausersehen sei, unter anderm auch um deren Vorsitzenden, Minister v. Berlepsch, 
zu unterstützen, lenkte er das Gespräch auf verschiedene andre dienstliche Dinge 
und erkundigte sich außerdem — was sonst im dienstlichen Verkehr begreiflicher— 
weise nicht in seinen Gewohnheiten lag — mit Interesse nach dem persönlichen 
Ergehen Reichardts und seiner Gattin. Der Besuch mochte etwa eine Viertel— 
stunde gedauert haben. Dann ließ Bismarck sich von Reichardt die Arbeits- 
zimmer einiger andrer älterer Mitglieder des Auswärtigen Amts zeigen, bei 
welchen er ebenfalls vorsprach und die, als der Fürst sich entfernte, mit 
Reichardt sogleich in der Ueberzeugung übereinstimmten, „das war ein Abschieds- 
besuch.“ !) 
Mit dem Eintritt des Grafen Caprivi als Reichskanzler und des Freiherrn 
v. Marschall als Staatssekretär traten zu den sonstigen Obliegenheiten des 
Direktors der handelspolitischen Abteilung noch die fortgesetzten informatorischen 
Vorträge bei den beiden Chefs, namentlich während der bald darauf begonnenen 
Handelsvertrags-Verhandlungen hinzu. Reichardt bezeichnet jene Zeit als die 
arbeitsvollste und schwierigste seiner langen dienstlichen Laufbahn. 
Als er demnächst gegen Ende 1899 seine Dienstentlassung erbat und erhielt, 
war er von der Ueberzeugung geleitet, daß das ihm anvertraute Amt während 
der ganzen Zeit der damals beginnenden Vorbereitungen für die neuen Handels- 
verträge und für die späteren Verhandlungen über deren Abschluß in denselben 
Händen bleiben müsse, daß aber für eine so geraume Zeit seine Kräfte nicht 
mehr zureichen würden. 
1) Reichardt erzählt, er sei am 18. März, dem Tage der formellen Entlassung Bis- 
marcks, bei diesem zu einem kleinen Diner geladen gewesen, an welchem außer der Familie 
nur noch die französischen Delegirten der Arbeiterschutzkonferenz teilnahmen. Der Fürst sei, 
ohne daß man ihm die geringste Erregung angemerkt hätte, von geradezu hervorragender 
Liebenswürdigkeit gegen seine französischen Gäste gewesen, die dies im Gespräch mit 
Reichardt besonders hervorhoben, und dabei zugleich ihrem Erstaunen über die — durch 
die Verschiedenheit des Nationalcharakters erklärliche — Wahrnehmung Ausdruck gaben, 
daß während in Paris beim Rücktritt eines beliebigen Alltags-Ministeriums mehr oder 
weniger Aufregung, namentlich auf den Boulevards sich kundgebe, der Physiognomie Berlins 
von dem großen Tagesereignis nichts anzumerken gewesen sei.
	        
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