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Gefahr einer Uebertragung von Krankheiten, mögen dieselben durch pflanzliche
Krankheitserreger oder durch tierische Parasiten erzeugt sein, auf den Menschen
mit Sicherheit nicht ausschließen. 3. Es besteht der Verdacht, daß ein Teil
der Kunstbutter aus ekelerregenden Materialien hergestellt wird. Die aus
wirtschaftlichen Gründen vorgeschlagene Kennzeichnung der Verkaufsstellen von
Kunstbutter dürfte indes zur Zeit auch den Rücksichten auf die öffentliche Ge-
sundheitspflege im allgemeinen ausreichend Rechnung tragen. Denn es würde
dadurch jedermann ermöglicht werden, zwischen den äußerlich nicht unter-
scheidbaren Warengattungen zu wählen, mithin die Kunstbutter nicht zu solchen
Zwecken zu verwenden, bei welchem jede Gefahr einer vielleicht auch noch so
geringen Gesundheitsbeschädigung zu vermeiden ist.
Die nach der ersten Beratung mit der Weiterberatung beauftragte Kom-
mission gab aber der Vorlage eine wesentlich verschärfte Fassung, indem sie die
ersten Paragraphen in folgende Form brachte.
§ 1. Die Geschäftsräume und sonstigen Verkaufsstellen einschließlich der
Marktstände, in welchen Margarine gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten
wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die deutliche, nicht verwischbare
Inschrift: „Verkauf von Margarine“ tragen. „Margarine“ im Sinne dieses
Gesetzes sind diejenigen der Milchbutter ähnlichen Zubereitungen, deren Fett-
gehalt nicht ausschließlich der Milch entstammt. § 2. Die Vermischung von
Butter mit Margarine oder anderen Speisefetten zum Zwecke des Handels mit
diesen Mischungen sowie das gewerbsmäßige Verkaufen und Feilhalten derselben
ist verboten. Unter diese Bestimmung fällt nicht der Zusatz von Butterfett,
welcher aus der Verwendung von Milch oder Rahm bei der Herstellung von
Margarine herrührt, sofern dieser Zusatz nicht mehr als vier Prozent beträgt.
In den folgenden Paragraphen wird überall die deutliche Bezeichnung des
feilgebotenen Fabrikats als Margarine gefordert und für Zuwiderhandlungen
eine Strafe bis zu 150 Mark oder Haft, im Wiederholungsfalle bis zu
600 Mark oder Gefängnis bis zu 3 Monaten festgesetzt.
Trotz des energischen Einspruchs des Staatssekretärs v. Boetticher wurden
in der zweiten Beratung die §§ 1 und 2 in der Fassung der Kommission an-
genommen und in dieser Form auch in dritter Beratung genehmigt, nur wurde
bei § 2 der Schlußsatz dahin geändert:
Daß für den Zusatz von Butterfett 100 Gewichtsteile Milch oder 10 Ge-
wichtsteile Rahm auf 100 Gewichtsteile von nicht der Milch entstammenden
Feiten als höchstzulässiges Maß festgesetzt wurden.
Der Bundesrat stimmte am 7. Juli dem Gesetze in der vom Reichstage
beschlossenen Form zu. Der Minister v. Boetticher war in der betreffenden
Sitzung erschienen resp. zu derselben nach Berlin gekommen. „Er wollte
offenbar" — so bemerkte die „National-Zeitung“ — „so unzweideutig wie
möglich bekunden, daß er sich durch seine Aeußerungen im Reichstag in keiner