Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Weise gebunden fühlte. Zur Minderheit, die gegen das Gesetz stimmte, 
gehörten unter anderm Württemberg, Baden, Oldenburg, die Hansestädte.“ 
Es war das erste Mal, daß die Autorität des Staatsministers v. Boetticher 
eine schwache Einbuße erlitt. Die „National-Zeitung“ schrieb in der 
Nr. 378 vom 7. 7. 87 unter der Ueberschrift: „Das Kunstbuttergesetz und 
der Bundesrat“: Es hat wohl schwerlich irgend jemand erwartet, daß Herr 
v. Boetticher infolge des Beschlusses des preußischen Ministeriums, im 
Bundesrat für die agrarische Entstellung des Kunstbuttergesetzes zu stimmen, 
seine Entlassung nehmen würde; um das zu glauben, hätte man die Position 
des Herrn v. Boetticher im Organismus der Reichs- und der preußischen 
Regierung sehr unrichtig beurteilen müssen. Man hat in dem beschleunigten 
Antritt seines Sommerurlaubs lediglich einen natürlichen Beweis von Selbst— 
achtung erblickt; es schien nur selbstverständlich, daß ein Minister, welcher 
einen Beschluß derart bekämpft hat, wie Herr v. Boetticher, den § 2 des 
Kunstbuttergesetzes, nicht bei der Sanktionirung desselben persönlich mitwirken 
will. Wenn jetzt offiziös angedeutet wird, Herr v. Beetticher selbst habe 
sich nachträglich für die Annahme des Reichstagsbeschlusses erklärt, so sollte 
man das eigentlich für eine chnische Beleidigung des Herrn Staatssekretärs 
halten, wenn auch für eine unbeabsichtigte, aus allzu großem Diensteifer ent- 
sprungene. Indes wir lassen das auf sich beruhen; es ist nicht unser Metier, 
Minister gegen ihre Offiziösen in Schutz zu nehmen. Uns interessirt an dem 
ganzen Vorgang lediglich die politische Seite, die dadurch erwiesene Unbe- 
grenztheit des agrarischen Einflusses. Diese allerdings erscheint bei jeder neuen 
Betrachtung der Angelegenheit immer krasser. Als uns vor etwa zehn Tagen 
zu Ohren gekommen war, daß die Zustimmung des Bundesrats wahrscheinlich 
geworden, brachten wir die Rede des Herrn v. Beoetticher aus der dritten 
Lesung, worin er besonders die Undurchführbarkeit des Mischungsverbotes dar- 
gelegt hatte, in Erinnerung. Es ist ebenso interessant, sich seine mehr prin- 
zipiellen Ausführungen aus der zweiten Lesung zu vergegenwärtigen. (Folgt 
ein Abdruck nach den stenographischen Berichten.) „Die Aufrechthaltung der 
Autorität der Regierung in den gesetzgeberischen Verhandlungen galt bisher in 
Preußen und im Reich als ein wichtiges Prinzipz; man wurde häufig belehrt, 
daß dieselbe eine erste Notwendigkeit sei, wenn wir nicht in den Parlamen-= 
tarismus hineingeraten sollten. Wie es scheint, hat selbst dieser nichts Ab- 
schreckendes mehr, sobald es sich um die Förderung von Interessen der „Herren 
Erwerbsgenossen“ der agrarischen Mehrheit handelt.“ 1) 
1) Ich erwähne noch die in Kohls Bismarck-Regesten übersehenen dem Bundesrat 
überreichten Gesetzentwürfe, betr. 1. die Verwendung gesundheitsschädlicher Farben bei der 
Herstellung von Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen, Schreiben 
v. Febr. 1887, „Nat.-Ztg.“ Nr. 101 v. 18. 2. 87, 2. die Abänderung des Reichsgesetzes 
über den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genußmitteln und Gebrauchsgegenständen vom
	        
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