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scheinlichkeit nach war sie ihm nicht erwünscht, und es ist anzunehmen, daß
die Wahl des Nachfolgers (v. Verdy) ihn wenig erfreute.
Was die rein persönlichen Beziehungen Bronsarts zu Bismarck anlangt,!)
so hat man nicht den Eindruck gewinnen können, daß sie auch intime freund-
schaftliche gewesen sind. Dies ist auf Umstände zurückzuführen, die auf psycho-
logischem Gebiet liegen. Im Feldzug 1870/71 war Bronsart Abteilungschef
im Generalstabe bei Moltke. Es bestand damals, namentlich in Versailles, eine
— man könnte sagen — kleine Jalousie zwischen der Umgebung Moltkes und
derjenigen Bismarcks. Lassen wir dahingestellt, ob diese Jalousie einseitiger
Art war und vielleicht nur beim Generalstab bestanden hat; jedenfalls wurde
bei letzterem die Einwirkung politischer Rücksichten auf den Gang der Operationen
empfunden oder vorausgesetzt, und dann auf den bedeutsamen Einfluß Bismarcks
zurückgeführt. Da nun der Krieg nichts anderes als fortgesetzte Politik mit
anderen Mitteln ist, sollte man es an sich billig und natürlich finden, wenn
gute Politik auch in gewissen Phasen der Kriegshandlung ihren Ausdruck an-
strebt und erhält.
Das ideale Verhältnis besteht natürlich nur, wo die Leitung der Politik
und der Kriegsoperationen in einer Hand liegt, wie es bei Friedrich dem
Großen und Napoleon I. der Fall war; das war aber nicht vorhanden. Wilhelm I.
war weder mit dem einen noch mit dem anderen zu vergleichen, er brauchte bei all
seiner Größe einen Bismarck und einen Moltke, und da mögen Friktionen in beiden
Ressorts vorgekommen sein, die der alte Herr mit seinem untrüglichen Scharf-
blick und Geschick zu begleichen hatte. Schlimm wird es wohl auch nicht ge-
wesen sein, denn Moltle handelte gleichfalls nur nach großen Gesichtspunkten;
immerhin ist aber in Generalstabskreisen nach dem Kriege viel darüber gekanne-
gießert worden.
Bronsart sprach sich über diese Dinge stets reservirt aus, aber so viel ließ
er doch durchblicken: es habe der mächtige Einfluß Bismarcks in Versailles
ihn wie ein Alp so stark belastet, daß er auch später die Druckempfindung nie
ganz los werden konnte. Aus diesem Grunde hat ein wärmeres Verhältnis
zwischen beiden Männern sich nicht entwickelt. Bronsart hat die glühende Liebe
und Verehrung, die sein 1896 als Kriegsminister zurückgetretener Bruder für
den Fürsten Bismarck hegt, also nicht geteilt, aber auch nie zu erschüttern
versucht.
zählte zu den besten Schülern des Grafen Moltke. Indessen ist es nicht unmöglich, daß
der Kriegsminister angesichts der zahlreichen Neuerungen persönlicher und sachlicher Art ein
dringendes Bedürfnis zum Rücktritt empfand und meinte, es sei nicht gut, neuen Wein
in alte Schläuche zu füllen, zumal auch in dem Verhältnis des Militärkabinets zu dem
Kriegsministerium eine Aenderung geplant wurde.“
1) 25. März 1888. Beglückwünschung Bismarcks anläßlich seines 50jährigen mili-
tärischen Dienstjubiläums durch Bronsart v. Schellendorff.