Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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scheinlichkeit nach war sie ihm nicht erwünscht, und es ist anzunehmen, daß 
die Wahl des Nachfolgers (v. Verdy) ihn wenig erfreute. 
Was die rein persönlichen Beziehungen Bronsarts zu Bismarck anlangt,!) 
so hat man nicht den Eindruck gewinnen können, daß sie auch intime freund- 
schaftliche gewesen sind. Dies ist auf Umstände zurückzuführen, die auf psycho- 
logischem Gebiet liegen. Im Feldzug 1870/71 war Bronsart Abteilungschef 
im Generalstabe bei Moltke. Es bestand damals, namentlich in Versailles, eine 
— man könnte sagen — kleine Jalousie zwischen der Umgebung Moltkes und 
derjenigen Bismarcks. Lassen wir dahingestellt, ob diese Jalousie einseitiger 
Art war und vielleicht nur beim Generalstab bestanden hat; jedenfalls wurde 
bei letzterem die Einwirkung politischer Rücksichten auf den Gang der Operationen 
empfunden oder vorausgesetzt, und dann auf den bedeutsamen Einfluß Bismarcks 
zurückgeführt. Da nun der Krieg nichts anderes als fortgesetzte Politik mit 
anderen Mitteln ist, sollte man es an sich billig und natürlich finden, wenn 
gute Politik auch in gewissen Phasen der Kriegshandlung ihren Ausdruck an- 
strebt und erhält. 
Das ideale Verhältnis besteht natürlich nur, wo die Leitung der Politik 
und der Kriegsoperationen in einer Hand liegt, wie es bei Friedrich dem 
Großen und Napoleon I. der Fall war; das war aber nicht vorhanden. Wilhelm I. 
war weder mit dem einen noch mit dem anderen zu vergleichen, er brauchte bei all 
seiner Größe einen Bismarck und einen Moltke, und da mögen Friktionen in beiden 
Ressorts vorgekommen sein, die der alte Herr mit seinem untrüglichen Scharf- 
blick und Geschick zu begleichen hatte. Schlimm wird es wohl auch nicht ge- 
wesen sein, denn Moltle handelte gleichfalls nur nach großen Gesichtspunkten; 
immerhin ist aber in Generalstabskreisen nach dem Kriege viel darüber gekanne- 
gießert worden. 
Bronsart sprach sich über diese Dinge stets reservirt aus, aber so viel ließ 
er doch durchblicken: es habe der mächtige Einfluß Bismarcks in Versailles 
ihn wie ein Alp so stark belastet, daß er auch später die Druckempfindung nie 
ganz los werden konnte. Aus diesem Grunde hat ein wärmeres Verhältnis 
zwischen beiden Männern sich nicht entwickelt. Bronsart hat die glühende Liebe 
und Verehrung, die sein 1896 als Kriegsminister zurückgetretener Bruder für 
den Fürsten Bismarck hegt, also nicht geteilt, aber auch nie zu erschüttern 
versucht. 
zählte zu den besten Schülern des Grafen Moltke. Indessen ist es nicht unmöglich, daß 
der Kriegsminister angesichts der zahlreichen Neuerungen persönlicher und sachlicher Art ein 
dringendes Bedürfnis zum Rücktritt empfand und meinte, es sei nicht gut, neuen Wein 
in alte Schläuche zu füllen, zumal auch in dem Verhältnis des Militärkabinets zu dem 
Kriegsministerium eine Aenderung geplant wurde.“ 
1) 25. März 1888. Beglückwünschung Bismarcks anläßlich seines 50jährigen mili- 
tärischen Dienstjubiläums durch Bronsart v. Schellendorff.
	        
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