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das Verfassungsgesetz vom 3. Juli 1879 wurde das Reichskanzleramt für
Elsaß-Lothringen aufgelöst; seitdem bestand keine behördliche Verbindung mehr
zwischen dem Reichskanzler und dem Statthalter zu Straßburg in eigentlichen
Landesangelegenheiten von Elsaß-Lothringen; wenn nun aber auch darüber ein
Zweifel bestehen konnte, daß die Interessen der allgemeinen Reichsleitung nach
wie vor maßgebend bleiben mußten für die Landesverwaltung in Elsaß—
Lothringen, so bot doch die zeitweilige Anwesenheit der Regierungsvertreter und
Bundesratsmitglieder aus Elsaß-Lothringen in Berlin nicht immer ausreichende
Gelegenheit zu einer stetigen Verständigung. Die bei Beratung der Verfassung
von 1879 geltend gemachte Ansicht, daß eine briefliche Verständigung zwischen
Straßburg und Berlin stets innerhalb weniger Tage bewerkstelligt werden könne,
hatte sich wohl im allgemeinen erprobt, und für die allgemeine Leitung der
Dinge wie für die laufenden Geschäfte waren die bestehenden Einrichtungen
noch nicht für ungenügend befunden worden. Auf einzelnen Gebieten aber
wurde die Notwendigkeit der Herstellung einer engeren Verbindung doch aner—
kannt, so besonders für die Verwaltung der Zölle und der Reichssteuern; diese
Erwägung bestimmte schon vor Jahren die Regierung zur Abordnung eines
Mitgliedes der Straßburger Generaldirektion der Zölle und Steuern als
ständigen Kommissars beim Bundesrate. Auch auf dem Gebiete der aus—
wärtigen Beziehungen ergab sich ein ähnliches Bedürfnis, seitdem die gesteigerte
Spannung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich das engste
Zusammengehen der Regierung in Straßburg mit dem Auswärtigen Amt zur
unabweislichen Notwendigkeit machte. Die Anordnungen der Landespolizei
in Elsaß-Lothringen bezüglich des Aufenthaltes von Nationalfranzosen, Optanten
oder Auswanderen im Reichslande z. B. berührt nicht nur bezüglich des Er—
Wilhelm von Bismarck einnahm, in das Auswärtige Amt versetzt worden. Als sein Nach-
folger im Reichskanzleramt fungirt der Landrat und Reichstagsabgeordnete für Fraustadt
von Rheinbaben, Mitglied der deutschen Reichspartei.“ — Ueber Herrn Kayser selbst entnahm
die „Neue Preuß. Ztg“ der „Frankf. Ztg.“ Folgendes: „Herr Kayser war vor nicht allzu
vielen Jahren Stadtrichter hierselbst und pflegte die Mußestunden, welche ihm seine rich-
terliche Thätigkeit ließ, damit auszufüllen, die jungen Herren, welche sich der diplomatischen
Carriere widmen wollen, für das sogenannte diplomatische Examen vorzubereiten. In
dieser Beschäftigung trat er der Familie des Fürsten Bismarck näher, und seine Geschick-
lichkeit, verbunden mit hervorragenden Kenmtnissen, eröffnete ihm eine aussichtsvolle Lauf-
bahn. Er wurde nach einigen Jahren zum Regierungsrat und Hilfsarbeiter im Reichs-
Justizamt und im vorigen Jahre bei der Errichtung des Reichsversicherungsamtes zum
Geh. Regierungsrat und ersten Mitgliede dieser Behörde befördert. Indes blieb er in
dieser Stellung nur sehr kurze Zeit. Schon nach wenigen Monaten trat er in das Aus-
wärtige Amt über, wo er zuerst bei der Rechtsabteilung beschäftigt wurde, jetzt aber als
Nachfolger Buchers in die politische Abteilung berufen worden ist. Die Wünsche Kaysers
sind wohl längst auf eine diplomatische Thätigkeit gerichtet gewesen, wahrscheinlich konnten
sie aber ihrer Befriedigung erst näher geführt werden, als er sich vor einigen Jahren ent-
schlossen hatte, seinen Uebertritt zum Christentum zu vollziehen.“