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bald den Königlich bayerischen Generallieutenant Grafen Bothmer und General-
major Maillinger; beide teilten mir übereinstimmend mit, daß von Sedan aus
jede Feindseligkeit eingestellt und durch französische Offiziere der Wunsch nach
einer Kapitulation ausgesprochen worden wäre. Demzufolge waren bereits zwei
bayerische Offiziere nach Sedan als Parlamentäre hineingeschickt, während sich
an dem Festungsthor ein ziemlich harmloser Verkehr zwischen Bayern und
Franzosen etablirt hatte. Ich fand für meine Person ohne Schwierigkeit Einlaß
und wurde von dem Festungskommandanten, welcher sich an dem Thore präsen-
tirte, hineinbegleitet. Auf meinen Wunsch, zu dem General en chekt geführt
zu werden, wurde mir demnächst ein Offizier zugewiesen, mit dem Auftrag, mich
sicher zu dem Marschall Mac Mahon zu bringen. Letzterer wurde als General
en chef bezeichnet; meine Frage, ob der Kaiser anwesend sei, wurde weder
bejaht noch verneint.
Da man mir nicht die Augen verbunden hatte, konnte ich mich von der
grenzenlosen Verwirrung überzeugen, welche in den Straßen herrschte. Mann-
schaften aller Waffen und der verschiedensten Regimenter, Mobilgarden in
schlechter Bewaffnung und Ausrüstung, Armeefuhrwerk jeder Art füllte die
Straßen. Der größte Teil der Mannschaft machte einen kampfesmüden und
der Aussicht auf eine Kapitulation nicht abgeneigten Eindruck. Ich wurde
freundlich begrüßt; einige aus den deutschen Bezirken rekrutirte Leute riefen mir
die Worte: „Lieber Landsmann!“ zu. Nur eine mißvergnügte Stimme ließ
sich mit den Worten: „Que nous veut cet homme 1à7“ vernehmen. Die
Offiziere bewahrten eine ernste, angemessene Haltung.
Nach einem Wege von fast einer Viertelstunde gelangten wir zu dem
schönen Gebäude der sous-prékecture, in welchem der Marschall Mac Mahon
wohnen sollte. Auf dem vergitterten Vorhofe standen viele hohe Offiziere,
deren einer mich deutsch nach dem Zweck meines Kommens fragte. Ich ant-
wortete, daß ich von dem Höchstkommandirenden der deutschen Truppen einen
Auftrag an den General en chef der französischen Truppen auszurichten hätte.
Ein anderer Offizier wandte sich an mich mit den Worten: „Pardon, Mon-
Ssieur, êötes-vous Bavarois?“ — „Non, Monsieur, je Suis Prussien et je
Viens de la part de Sa Majesté le roi de Prusse.“ — „CGest bien, ciest
bien!“ Damit verschwand der Frager über die in das Gebäude führende
Treppe. Noch ehe eine Minute vergangen, erschien ein General, welcher mit
den Worten: „Veuillez m’'accompagner, Monsieur !“ mich unter den Arm
nahm und über die Treppe und den Flur in ein großes Zimmer führte, in
welchem ich mich nun dem Kaiser allein gegenüber befand, den ich vorher nie
gesehen hatte und nur aus Bildern erkannte. Er erhob sich mühsam an einem
Stock, auf welchen er gelehnt blieb, aus einem Sessel. Ich trat nahe an ihn
heran und sagte: „J'ai Fhonneur, Sir, d'étre envoyé par Sa Majesté le roi
de Prusse pour —" Hier unterbrach der Kaiser mich mit den Worten: