Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Abänderung des Strafgesetzbuchs und des Preßgesetzes. 
Im März 1889 legte der Reichskanzler dem Bundesrat einen Gesetzentwurf, 
betreffend Abänderungen von Bestimmungen des Strafgesetzbuchs und des Ge- 
setzes über die Presse vom 7. Mai 1874, und im April einen Antrag Preußens, 
betreffend Abänderung des § 4 des Strafgesetzbuchs (betreffend die im Aus- 
lande begangenen Verbrechen und Vergehen), nebst Begründung zur Beschluß- 
fassung vor. 1) Beide Gesetzentwürfe gelangten nicht an den Reichstag; be- 
züglich des ersteren hat überhaupt nichts verlautet, bezüglich des zweiten wurden 
der „Kölnischen Zeitung“ folgende Andeutungen gemacht: 
„Man ist bei Erlaß der Ausnahmebestimmungen des § 4 von der Vor- 
aussetzung ausgegangen, daß schließlich in allen Kulturstaaten gemeine Verbrechen 
nicht ungesühnt bleiben, einerlei ob das Verbrechen gegen einen Inländer oder 
gegen einen Ausländer begangen worden ist. Diese Voraussetzung trifft indes 
für Länder, die noch nicht den Segen unserer Kultur genießen, nicht zu; je 
mehr wir mit diesen Ländern in Verbindung treten, um so mehr muß es sich 
fühlbar machen, daß hier gegen Deutsche eine Anzahl von Verbrechen und 
Vergehen nicht an der Hand unseres Strafgesetzbuchs bestraft werden kann, für 
die wir Sühne heischen und in solchen Ländern ohne Rechtsentwicklung nicht 
finden können. Schon als 1875 die Novelle zum Strafgesetzbuch im Reichs- 
tag eingebracht worden war, hatte der Entwurf mit Rücksicht auf solche Vor- 
kommnisse eine Ausdehnung des obigen Paragraphen angeregt, aber damit beim 
Reichstag keinen Beifall gefunden, weil wir damals noch nicht eine praktische 
Kolonialpolitik begonnen hatten. Jetzt aber, wo namentlich in Afrika eine 
ganze Reihe deutscher Expeditionen für die Aufschließung unserer Kolonien 
immer gründlicher und erfolgreicher thätig sind, macht sich diese Lücke immer 
fühlbarer. Diebstahl, Mord, selbst von deutschen Unterthanen an den Führern 
unserer Expeditionen im Hinterlande von Kamerun beispielsweise begangen, 
würde nach Lage unserer Gesetzgebung zur Zeit nicht von einem deutschen 
Gericht bestraft werden können. Der preußische Antrag bezweckt offenbar, diese 
Lücke auszufüllen, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß diese Ausfüllung 
von allen Parteien gern zugebilligt werden wird.“ 
Nach der „National-Zeitung“ lautete der § 4 des Gesetzentwurfs in seiner 
gegenwärtigen Fassung: 
Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in 
der Regel keine Verfolgung statt. Jedoch kann nach den Strafgesetzen des 
Deutschen Reichs verfolgt werden 1. ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher 
im Auslande eine hochverräterische Handlung gegen das Deutsche Reich oder 
einen Bundesstaat oder ein Münzverbrechen oder als Beamter des Deutschen 
Reichs oder eines Bundesstaats eine Handlung begangen hat, die nach den 
1) Beide Schreiben in Kohls Bismarck-Regesten übersehen.
	        
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