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„Est-Cce due Sa Majesté est présente?" — „Oui, Sire, et avec toute
Tarmée.“ — „Alors vous aurez la bonté de lui remettre la lettre, que
je viens de lui 6crire.“ Hiermit übergab mir der Kaiser einen verschlossenen
Brief, welcher schon vor meiner Ankunft geschrieben sein mußte. Ich verbeugte
mich, nahm den Brief und sagte: „Mais, Sire, il nous faut un oftcier
supérieur pour régler les questions militaires, qui s’imposent dans la
Situation actuelle.“ — „Cest juste, C'est juste!“ antwortete der Koaiser.
— „Est-ece due je dois m’'adresser au maréchal de Mac Mahon?“ —
„Non, le maréchal est blessé; c'est le général de Wimpffen, qui a pris
le commandement!" Ich verbeugte mich, um zu gehen. Der Kaiser, welcher
während der ganzen Unterredung einen sehr befangenen und erschöpften Eindruck
gemacht hatte, rief mir im Abgehen zu: „Attendez un moment, je vous ferai
accompagner !“ Gleich darauf stellte sich mir der General Reille vor, welcher
nun auch beauftragt war, den Brief des Kaisers an Seine Mcjestät den König
persönlich zu überreichen. Wir gingen gemeinsam bis zum Thor, woselbst ich
mein Pferd wiederfand, während er das dem Kommandanten gehörige Pferd
bestieg und mit mir hinausritt. Bronsart v. Schellendorff,
Oberstlieutenant und Abteilungschef.
Als wir uns dem Standpunkt des Königs näherten, galoppirte ich voraus,
um eine kurze Meldung zu erstatten. Dann kam General Reille, begleitet vom
Hauptmann v. Winterfeldt. Der König stand etwa 20 Schritte von seiner
Umgebung, etwa 100 Schritte vor ihm stieg General Reille vom Pferde, den
ich nun aufforderte, sich dem König zu nähern. Auf etwa 30 Schritte nahm
er die Mütze ab und avancirte in tadelloser Haltung gegen den König, ihm
den Brief des Kaisers überreichend. Der König erbrach den Brief und fragte,
nachdem er gelesen, den General, ob er nicht mit anderweitigen Vollmachten
versehen sei; der General verneinte es. Die ganze französische Armee müsse
kapituliren, fügte nun der König hinzu, worauf General Reille erwiderte, dies
würde nie geschehen, lieber würden sie sich alle in die Luft sprengen. Der
König hieß nun den General warten, da er ihm eine Antwort an den Keiser
mitgeben wolle. Aus zwei Stühlen wurde eine Schreibvorrichtung hergestellt,
und der König schrieb die Antwort.
Der König kehrte dann nach Vendresse zurück; General v. Moltke und
Graf Bismarck begaben sich nach Donchery. Dort trafen gegen Mitternacht
die französischen Generale de Wimpffen, Castelnau und Faure ein, begleitet von
vier bis fünf Ordonnanzoffizieren und Adjutanten. Es begannen die Ver-
handlungen, welche zunächst resultatlos blieben. Rittmeister Graf Nostitz schrieb
eilig Notizen mit, die er am 2. September früh zusammenstellte.
2. September. Früh wurde ich durch die Mitteilung überrascht, daß
der Kaiser Napoleon in aller Frühe Sedan verlassen habe und sich in Donchery