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in einem kleinen Bauernhause an der Straße befinde; Graf Bismarck sei bereits
bei ihm. General Moltke begab sich nun auch dorthin. Wir fanden den Kaiser
vor dem bezeichneten Hause, etwa 30 Schritte von der Straße, mit einigen
Generalen (unter ihnen Reille und Castelnau) sitzend und Zigaretten rauchend.
Er wünschte in einer Zusammenkunft mit dem König günstigere Bedingungen
für seine Armee zu erlangen. General v. Moltke sagte ihm, daß der König
auf der Kapitulation bestehe, und fuhr dann selbst mit dem Entwurf, der den
Offizieren Freiheit auf Ehrenwort zugestand, dem König entgegen. Gleichzeitig
wurde ein Offizier zum General de Wimpffen geschickt, um ihm die Wieder-
eröffnung des Feuers in Aussicht zu stellen. Ein anderer Offizier ermittelte
als geeigneten Punkt für die Zusammenkunft der Souveräne ein kleines, nahe
Frénois gelegenes Schlößchen. Dorthin begab sich der Kaiser mit seinem
Gefolge und seinen Trains. Diese waren aus Sedan glücklich herausgekommen,
zur größten Befriedigung des Kaisers und seines Gefolges, welche bei dem
mangelhaften disziplinaren Zustande der französischen Truppen wohl nicht ganz
ungerechtfertigte Besorgnisse dieserhalb gehegt hatten.
Bald traf auch General Wimpffen ein; er erkannte an, daß wir berechtigt
gewesen wären, um 9 Uhr früh die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen, ent-
schuldigte sich aber mit dem strikten Befehl des Kaisers, kein Uebereinkommen
einzugehen, bevor dieser mit dem König zusammengetroffen sei. Der König
indessen ließ dem Kaiser sagen, daß er ihn nicht eher sprechen könne, als bis
die Kapitulation der Armee abgeschlossen sei, und daß andernfalls das Feuer
punkt 12 Uhr mittags beginnen würde. Dies wirkte. Kurz nach 11 Uhr war
das Abkommen perfekt. Dann begaben sich General Moltke und Graf Bismarck
zum König, der in einem kleinen Schloß, eine Viertelstunde entfernt, wartete,
um ihm Meldung zu machen. Gegen 2 Uhr kam General Moltke wieder und
überreichte Verdy, Brandenstein und mir das Eiserne Kreuz unter ehrenden
Worten.
Um 3 Uhr erschien der König zu Pferde. Die Zusammenkunft mit dem
Kaiser fand unter vier Augen statt; was dort gesprochen worden ist, ist nicht
bekannt, wenigstens nicht alles. Ich hörte aus guter Quelle, daß der König
dem Kaiser versichert habe, er wolle nichts gegen seine Dynastie unternehmen.
Der Kaiser habe gefragt, ob auch die Armee des Prinzen Friedrich Karl vor
Sedan stände, und somit die Armee Bazaines in Metz deblockirt sei; als dies
verneint worden, habe er gesagt: „Alors tout est perdu!“ Den anerkennenden
Worten des Königs über die tapfere Haltung der französischen Truppen habe
der Kaiser die Bemerkung entgegengehalten, daß unsere Armee bedeutend mehr
Disziplin besäße und diesem Umstand ihre unausgesetzten Siege verdanke. Endlich
müsse er sich als Artillerist vollständig überwunden erklären, da er für die
Organisation der französischen Artillerie sich persönlich verantwortlich fühle, diese
aber viel schlechter als die unserige sei, deren Leistungen bewunderungswürdig