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politischer Beziehung zwischen Bismarck und Pouyer-Quertier verhandelt wurde,
reiste Herzog zur Instruktionseinholung nach Friedrichsruh.
Als Direktor im Reichskanzler-Amt, Abteilung für Elsaß-Lothringen, hatte
Herzog nicht den regelmäßigen Vortrag bei Bismarck; denselben besorgte Delbrück,
der Herzog nur mitnahm, wenn besondere technische Fragen zu erledigen waren.
Einen bedeutenden Zuwachs an Einfluß und Machtvollkommenheit erhielt
Herzog, als nach Delbrücks Abgang die Abteilung für Elsaß-Lothringen von dem
alten Reichskanzler-Amt abgezweigt und zu einem selbständigen Reichsamte unter der
Bezeichnung „Reichskanzler-Amt für Elsaß-Lothringen“ umgebildet wurde. Dieses
Reichsamt war jetzt den übrigen obersten Reichsämtern (Reichskanzler-Amt, Aus-
wärtiges Amt, Reichs-Justizamt, Reichs-Postamt) coordinirt; es unterstand also
nicht mehr dem Präsidenten des Reichskanzler-Amts, sondern erhielt einen eigenen
Chef in der Person des zum Unterstaatssekretär beförderten bisherigen Direktors
Herzog. Die verantwortliche Oberleitung über dieses Amt hatte nach wie
vor Bismarck, er ließ sie aber fortan durch den Unterstaatssekretär Herzog ebenso
ausüben, wie er die der andern oben genannten Ressorts durch Hofmann,
Bülow, Stephan ausüben ließ. In den der Landesverwaltung und speziell
dem Oberpräsidium zugewiesenen Befugnissen wurde dadurch nichts geändert, ob
die Behörde, welche unter der Autorität des Reichskanzlers und eventuell in
seiner Stellvertretung mit dem Oberpräsidium verhandelte, erst noch unter dem
Präsidenten des Reichskanzler-Amts oder direkt unter dem Reichskanzler stand.
Diese Frage der innern Organisation der obersten Reichsbehörde wurde zu Un-
recht vermischt mit der Frage über die Kompetenz der Zentralverwaltung und
der Landesverwaltung. Hiermit hatte die jetzige Veränderung nichts zu thun.
Durch die Rangerhöhung des Abteilungsdirektors zum Unterstaatssekretär trat
in seiner persönlichen Stellung nur die Veränderung ein, daß er Erlasse in
Vertretung des Reichskanzlers auch seinerseits zeichnen konnte.
Von dieser Zeit ab bekam Herzog den direkten Vortrag bei Bismarck in
allen Elsaß-Lothringen betreffenden Verwaltungsfragen. Er wußte, daß er sich
bei dem Reichskanzler, den er nunmehr während seines Berliner Aufenthalts
fast wöchentlich sah, kurz zu fassen hatte, auch mußte der Vortrag auf den
Ideengang Biemarcks stets strenge eingehen.
Als Bismarck einmal, ohne den Vortrag abwarten zu wollen, Entscheidung
treffen wollte, bat Herzog ehrerbietig, seine Gründe vortragen zu dürfen.
Zwischen Bismarck und Herzog hat es niemals einen Konflikt gegeben. Als
nach dem Abgang Camphausens das Finanzministerium Herzog angeboten wurde,
lehnte derselbe ab. Bismarck wunderte sich nicht darüber und meinte, daß er
wohl in Delbrück-Michaelisscher Auffassung befangen sei. Herzog sagte, es würde
ihm schwer sein, die Stelle des bisherigen Untergebenen mit der des Kollegen
im Staatsministerium zu vertauschen. Darauf entgegnete Bismarck: „Bin ich
etwa unkollegial?“"
Poschinger, Fürft Bismarck und der Bundesrat. V. 22