Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Bundesrat nicht durch Zwischenbeschlüsse und bindende Erklärungen zwischen 
den Lesungen des Reichstags einen Teil seiner Vorlage fallen lassen dürfe. 
Die „Vossische Zeitung“ bemerkte zu der vieldeutigen Stelle: Der Bundes- 
rat soll sich die Stellung eines gleichberechtigten gesetzgebenden Körpers wahren! 
Wäre der Bundesrat nur ein gesetzgebender Körper, dann käme er, wenn auch 
nicht seiner Zusammensetzung, so doch seinen Befugnissen nach, dem Staaten- 
haus nahe, welches der frühere Kronprinz befürwortete. Allein er ist zugleich 
ministerielle Behörde, welche Gesetze vorzubereiten und ihre Ausführungs- 
bestimmungen zu erlassen hat; er ist Verwaltungsbehörde, richterliche Behörde, 
Träger von Rechten, welche sonst nur der Souverän ausübt — kurzum, so 
vielseitig und undefinirbar, wie es nur noch die Stellung des Reichskanzlers 
ist. Der Bundesrat ist vollkommen unabhängig von dem Kaiser; er hat die 
Macht, alle Bestrebungen des Kaisers, auch wenn sie vom Reichstag unterstützt 
werden, lahm zu legen. Und dabei ist der Bundesrat nicht aus den Wahlen 
der Nation, auch nicht einmal aus denjenigen der gesetzgebenden Körper der 
Einzelstaaten, sondern lediglich aus den Ernennungen der einzelnen Fürsten 
hervorgegangen. 
Wenn Fürst Bismarck erklärt, der Bundesrat müsse die Stellung einer 
vorwiegend ministeriellen Behörde meiden, so steht diese Mahnung mit den 
früheren Erklärungen des Kanzlers im Widerspruch, ein Reichsministerium sei 
unzulässig, weil die ministeriellen Befugnisse dem Bundesrat zukommen. Ob 
Fürst Bismarck jetzt, da er selbst von der Bühne abgetreten ist, der entgegen- 
gesetzten Meinung zuneigt? 
Die letztere Annahme ist entschieden unzutreffend und veranlaßt durch die 
Nichtberücksichtigung des Wortes „überwiegend“. 1) Was Bismarck mit der 
letzteren Mahnung sich dachte, ersehen wir deutlich aus einer Rede, welche der- 
selbe am 8. Juni 1893 in Friedrichsruh an 400 Bewohner des Fürstentums 
Lippe hielt. Der Altreichskanzler bemerkte hier: 
„Den Bundesratsmitgliedern steht das Recht zu, im Reichstag jederzeit in 
jeder Sache das Wort zu ergreifen, ohne daß der Reichstagpräsident es hin- 
dern könnte, und selbst wenn das Bundesratsmitglied für eine Sache spricht, 
die im Bundesrat in der Minorität geblieben ist. Dem Bundesrat ist die 
Möglichkeit der Mitwirkung im nationalen Leben gegeben, und es hat mir eine 
Enttäuschung bereitet, daß von diesem Rechte bisher nicht mehr Gebrauch ge- 
macht worden ist. Wie die Verfassung in ihren Grundzügen angelegt wurde, 
hatte ich mir gedacht, daß die Bundesbevollmächtigten auch im Reichstag mehr 
sprechen würden, und daß jeder Staat von den Intelligenzen, die er zur Ver- 
1) In der „Vossischen Ztg.“ vom 12. April 1890 (Nr. 169) kam dieselbe in einem 
„Krone und Bundesrat“ überschriebenen Artikel auf das staatsrechtliche Ratsel, welches 
Bismarck in seinem Abschiedsschreiben an den Bundesrat aufgegeben hatte, noch einmal 
zurück.
	        
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