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fügung hat, abgesehen von denjenigen, welche in seinen ministeriellen Aemtern
sind, auch im Reichstag Gebrauch machen würde.
Das Blut konzentrirt sich jetzt in Kopf und Herz, in Bundesrat und
Reichstag. Wenn der Bundesrat öffentlich in seinen Sitzungen wäre, so würde
er wirksamer sein. Wenn die Abgeordneten für den Bundesrat danach aus-
gesucht würden, daß man Gewißheit hätte darüber, daß sie auch im Reichstag
sprechen würden, so wäre es besser. 2)
Ich hoffe auf andere Zeiten, wo das nationale Gefühl wieder stärker sein
und man zum Nachdenken darüber kommen wird, welche Mittel wir haben,
es lebendig zu erhalten.
Solche Mittel sind zunächst in der Institution der Landtage, dann in der
des Bundesrats vorhanden. Der Bundesrat hat in seinen Beschlüssen eine
amtliche Gültigkeit, aber in der öffentlichen Meinung hat er nicht die Be-
deutung erreicht, wie ich es mir gedacht hatte. Es kann ihm auf die Weise
ergehen, wie dem preußischen Herrenhause, welches auch aus Mangel an ini-
tiativer und bemerkbarer Thätigkeit nicht die Autorität hat, die ein Oberhaus
haben sollte. Und Gott möge verhüten, daß der obere Faktor unserer Gesetz-
gebung, der Bundesrat, in der öffentlichen Meinung Deutschlands die Gleich-
berechtigung mit dem Reichstag verliere.“
Beim Tode der Fürstin Bismarck, Dezember 1894, kondolirte der Bundesrat
in corpore dem Fürsten nach Varzin.
Zum achtzigsten Geburtstag hatte auch der Bundesrat seine Glückwünsche
nach Friedrichsruh entsandt. Der Altreichskanzler beantwortete am 29. März
1895 diese Kundgebung durch folgendes Dankschreiben:
Unter allen Begrüßungen und Auszeichnungen, die mir zu meinem bevor-
stehenden Geburtstage zu teil geworden sind, lege ich hervorragenden Wert auf
die Kundgebung der Herren Vertreter der durchlauchtigsten Reichsgenossen im
Bundesrat.
In dem klaren Rückblick auf die Zeit gemeinsamer Arbeit mit den meisten
Herren Unterzeichnern der Urkunde bitte ich den Hohen Bundesrat, meinen
gehorsamsten Dank für die mir erwiesene Ehre entgegenzunehmen, und zweifle
nicht, daß das deutsche Volk in diesem höchsten Senat des Reichs stets wie
bisher den für alle Deutschen maßgebenden Ausdruck der nationalen Zusammen-
gehörigkeit und Vaierlandsliebe finden wird.
v. Bismarck.
1) Demselben Gedanken hatte Bismarck bereits im Sommer 1892 in einer Ansprache
an eine Anzahl gelehrter Herren aus Schwaben Ausdruck gegeben, indem er bemerkte:
„Die beiden Hauptklammern unserer nationalen Einheit sind Bundesrat und Reichstag.
Der Bundesrat hat die Geltung, die ich von ihm hoffte, nie ganz erreicht. Ob die Zu-
lassung der Oeffentlichkeit da nützen würde, ist ein Gedanke, der mir mehrmals ge-
kommen ist."