Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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Willen ist, auf dessen anderweitige Zusammensetzung im Wege von Neuwahlen 
hinarbeiten, sondern auf Verständigung mit ihm Bedacht nehmen sollte. 1) 
5. Die LFeitung der Geschäfte und die Führung der preußischen Stimme 
im WBundesrak. 
Der König von Preußen ist in keiner Weise verfassungsmäßig verpflichtet, 
dem Reichskanzler, den er in seiner Eigenschaft als Kaiser zum Vorsitzenden 
des Bundesrats und zu seinem alleinigen verantwortlichen Minister in Reichs- 
sachen ernennt, auch gleichzeitig als König von Preußen die Führung der 
preußischen Stimmen im Bundesrat zu übertragen. Ebensowenig liegt für 
den König von Preußen eine verfassungsmäßige Nötigung vor, die übrigen 
preußischen Minister, oder selbst die Staatssekretäre der verschiedenen Ver- 
waltungsressorts des Reiches zu preußischen Bundesratsbevollmächtigten zu 
ernennen. Der König kann seine Vollmacht für den Bundesrat vielmehr einer 
jeden Person übertragen, die er für die Führung der preußischen Stimmen 
geeignet hält. Es ist also durchaus nicht selbstverständlich, daß der Kanzler 
für Preußen abstimmt, wenn er im Bundesrat anwesend ist. 
Ebensowenig ist durch ein besonderes Gesetz ein Stellvertreter des Reichs- 
kanzlers in der Person des Staatssekretärs des Innern ernannt, sondern auf 
Grund des Stellvertretungsgesetzes, nicht durch dasselbe ernennt der Kaiser 
zum allgemeinen Stellvertreter für den gesamten Umfang der Geschäfte und 
Obliegenheiten des Reichskanzlers nach seiner Wahl, wen er will, und ist dabei 
keineswegs an den Staatssekretär des Innern oder sonst jemand gebunden. 
Es hat also niemand, auch der Vizepräsident des preußischen Staatsmini- 
steriums nicht, einen Anspruch darauf, im Behinderungsfalle den Reichskanzler 
als preußischen Stimmführer im Bundesrat zu vertreten. Der Reichskanzler 
ist in dieser seiner Eigenschaft nicht preußischer Stimmführer; es kann also 
auch niemanden eine „Befugnis“ entgehen, wenn der preußische Minister- 
präsident im Bundesrat voll seine Stellung einnimmt. Eine „Befugnis“ 
existirt in dieser Richtung überhaupt nicht, und die Leitung der Sitzungen des 
Bundesrats in Abwesenheit des Reichskanzlers fällt stets demjenigen Mitgliede 
des Bundesrats zu, welches der Reichskanzler sich substituirt nach Maßgabe 
des Artikels 15 Absatz 2 der Reichsverfassung, welcher bestimmt, daß sich der 
Reichskanzler durch jedes andere Mitglied des Bundesrats vermöge schriftlicher 
Substitution vertreten lassen kann. 
1) „Hamb. Nachr.“ v. 19. Jan. 1893; bei Joh. Penzler a. a. O., Bd. IV, S. 345. 
Vergl. den Bismarck zugeschriebenen Artikel, (ck. Penzler a. a. O., Bd IV, S. 322) über 
die verfassungsmäßige Stellung des Reichskanzlers in Bezug auf das Bewilligungsrecht 
des Reichskanzlers. 
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. V. 24
	        
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