Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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einem Beschluß des Gesamtministeriums hätten abhängig gemacht werden sollen, 
so würde diese vermeintliche oder merkliche Eigenmächtigkeit nicht ohne Folge 
bleiben für das fernere Zusammenwirken der Mitglieder des Staatsministeriums. 
Aber weder bevorzugt noch benachteiligt im Vergleich mit den sonstigen 
Departementschefs ist darin der Minister des Auswärtigen. Und dies gilt in 
Preußen unweigerlich für die Befugnisse des letzteren, sein Ressort nach eigenem 
Ermessen gewissenhaft zu verwalten, somit auch die preußischen Bevollmächtigten 
zum Bundesrate mit den erforderlichen Instruktionen zu versehen, wobei, wie 
gesagt, nicht anders als bei anderen Ministerien Fälle eintreten können, in 
welchen der Minister des Auswärtigen den, Inhalt der von ihm zu erteilenden 
Instruktionen zum Gegenstand einer Beratung und Beschlußfassung im Ministerrat 
zu machen hat. Erteilt werden aber diese Instruktionen — und regelmäßig 
ohne Mitwirkung anderer Minister — durch den preußischen Minister der aus- 
wärtigen Angelegenheiten. 1) 
* 
Der preußische Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat nicht nur 
die wenigen preußischen Diplomaten zu instruiren, sondern er ist auch der 
Ressortminister für die Beziehungen Preußens zum Reiche, sagen wir, für die 
„deutschen Angelegenheiten“, die im preußischen Staatsministerium verhandelt 
werden; gewiß für Preußen keine unwichtige Aufgabe. Dem preußischen 
Minister der auswärtigen Angelegenheiten steht die Instruktion der siebzehn 
preußischen Stimmen im Bundesrat ressortmäßig zu, und in Fällen, wo er der 
Zustimmung des Staatsministeriums ohne Rückfrage gewiß zu sein glaubt, 
kann er diese Instruktion auf eigene Verantwortung erteilen, und wenn er der 
Zustimmung des Gesamtministeriums zu bedürfen meint, so ist er selbst der 
vortragende Ressortminister für seine eigene Sache. Professor Laband unter— 
schätzt die Wichtigkeit dieses preußischen Ministeriums, wenn er äußert, der 
preußische Staat bedürfe desselben gar nicht mehr. Wir wüßten nicht, welche 
Beziehungen für Preußen wichtiger wären, als die zum Reiche, die der 
preußische auswärtige Minister ressortmäßig verwaltet. Er hat für Preußen 
und dessen Votum im Bundesrat dieselbe Bedeutung, wie die entsprechenden 
Minister in Bayern, Sachsen u. s. w. Preußen bedarf so gut wie diese 
Staaten für seine Beziehungen zum Reiche des Organs eines auswärtigen 
Ministeriums; so wenig wie jenen Staaten zugemutet, werden darf, hierauf zu 
verzichten, kann dies bei Preußen geschehen. Der auswärtige Minister Preußens, 
der nicht zugleich Reichskanzler wäre, könnte sogar diesem seine Instruktion für den 
Bundesrat zuschicken und ihm unter Umständen das Leben schwer machen. 
Die Schwierigkeiten, die hier eintreten könnten, sind bisher in der natürlichsten 
  
1) Schreiben Bismarcks aus dem Jahr 1873 („Berliner Neueste Nachrichten“ v. 
1. Mai 1892).
	        
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