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und eng, das Haus aber von Verwundeten frei sei, stieg der Kaiser ab und
forderte mich auf, ihm in das Innere zu folgen. Hier hatte ich in einem sehr
kleinen, einen Tisch und zwei Stühle enthaltenden Zimmer eine Unterredung
von etwa einer Stunde mit dem Kaiser. Seine Majestät betonte vorzugsweise
den Wunsch, günstigere Kapitulationsbedingungen für die Armee zu erhalten.
Ich lehnte von Hause aus ab, hierüber mit Seiner Majestät zu unterhandeln,
indem diese rein militärische Frage zwischen dem General v. Moltke und dem
General v. Wimpffen zu erledigen sei. Dagegen fragte ich den Kaiser, ob
Seine Majestät zu Friedensunterhandlungen geneigt sei. Der Kaiser erwiderte,
daß er jetzt als Gefangener nicht in der Lage sei, und auf mein weiteres Be—
fragen, durch wen seiner Ansicht nach die Staatsgewalt Frankreichs gegenwärtig
vertreten werde, verwies mich Seine Majestät auf das in Paris bestehende
Gouvernement. Nach Aufklärung dieses aus dem gestrigen Schreiben des Kaisers
an Eure Majestät nicht mit Sicherheit zu beurteilenden Punktes erkannte ich —
und verschwieg dies auch dem Kaiser nicht —, daß die Situation noch heut
wie gestern kein anderes praktisches Moment als das militärische darbiete, und
betonte die daraus für uns hervorgehende Notwendigkeit, durch die Kapitulation
Sedans vor allen Dingen ein materielles Pfand für die Befestigung der ge-
wonnenen militärischen Resultate in die Hand zu bekommen.
Ich hatte schon gestern abend mit dem General v. Moltke nach allen Seiten
hin die Frage erwogen, ob es möglich sein würde, ohne Schädigung der deutschen
Interessen dem militärischen Ehrgefühl einer Armee, die sich gut geschlagen hatte,
günstigere Bedingungen als die festgestellten anzubieten. Nach pflichtgemäßer
Erwägung mußten wir beide in der Verneinung dieser Frage beharren. Wenn
daher der General v. Moltke, der inzwischen aus der Stadt hinzugekommen
war, sich zu Eurer Moajestät begab, um Allerhöchstdenselben die Wünsche des
Kaisers vorzulegen, so geschah dies, wie Eurer Majestät bekannt, nicht in der
Absicht, dieselben zu befürworten.
Der Kaiser begab sich demnächst ins Freie und lud mich ein, mich vor der
Thür des Hauses neben ihn zu setzen. Seine Majestät stellte mir die Frage,
ob es nicht thunlich sei, die französische Armee über die belgische Grenze gehen
zu lassen, damit sie dort entwaffnet und internirt werde. Ich hatte auch diese
Eventualität bereits am Abend zuvor mit General v. Moltke besprochen und
ging unter Anführung der oben bereits angedeuteten Motive auch auf die Besprechung
dieser Modalität nicht ein. In Berührung der politischen Situation nahm ich
meinerseits keine Initiative, der Kaiser nur insoweit, daß er das Unglück des
Krieges beklagte und erklärte, daß er selbst den Krieg nicht gewollt habe, durch
den Druck der öffentlichen Meinung Frankreichs aber dazu genötigt worden sei.
Ich hielt es nicht für meinen Beruf, in diesem Augenblick darauf hinzuweisen,
wie das, was der Kaiser als öffentliche Meinung bezeichnete, nur das künstliche
Produkt von einigen ehrgeizigen und politisch beschränkten Koterien der franzö-