— 33 —
welcher, nachdem wir mit ihm in Frénois eingetroffen, nunmehr ohne Widerspruch
angenommen und unterzeichnet wurde. Das Verhalten des Generals v. Wimpffen
war, ebenso wie das der übrigen französischen Generale in der Nacht vorher, ein
sehr würdiges, und konnte dieser tapfere Offizier sich nicht enthalten, mir gegen-
über seinem tiefen Schmerze darüber Ausdruck zu geben, daß gerade er berufen
sein müsse, 48 Stunden nach seiner Ankunft aus Afrika und einen halben Tag
nach seiner Uebernahme des Kommandos seinen Namen unter eine für die franzö-
sischen Waffen so verhängnisvolle Kapitulation zu setzen; indessen der Mangel an
Lebensmitteln und Munition und die absolute Unmöglichkeit jeder weiteren Ver-
teidigung lege ihm als General die Pflicht auf, seine persönlichen Gefühle schweigen
zu lassen, da weiteres Blutvergießen in der Situation nichts mehr ändern könne.
Die Bewilligung der Entlassung der Offiziere auf ihr Ehrenwort wurde mit leb-
haftem Dank entgegengenommen als ein Ausdruck der Intentionen Eurer Majestät,
den Gefühlen einer Truppe, welche sich tapfer geschlagen hatte, nicht über die Linie
hinaus zu nahe zu treten, welche durch das Gebot unserer politisch-militärischen
Interessen mit Notwendigkeit gezogen war. Diesem Gefühle hat der General
v. Wimpffen auch nachträglich in einem Schreiben Ausdruck gegeben, in welchem
er dem General v. Moltke seinen Dank für die rücksichtsvollen Formen aus-
drückt, in denen die Verhandlungen von seiten desselben geführt worden sind.
An v. Bismarck.
des Königs Majestät.
Chef der Kaiserlichen Admiralität, Generallieutenant v. Caprivit)
(geboren 24. Februar 1831, gestorben 6. Februar 1899).
Ueber die Wirksamkeit Caprivis als Reichskanzlers gibt es mehrere Bücher; 2)
über die Zeit, bevor er Bismarcks Nachfolger wurde, ist aber noch wenig be-
kannt geworden. Dies mag hier etwas nachgeholt werden.
1) Georg Leo v. Caprivi ist als Sohn des Obertribunalsrats v. Caprivi zu Charlotten-
burg bei Berlin geboren. Er besuchte das Werdersche Gymnasium, trat 1849 in das Kaiser
Franz-Grenadierregiment, wurde 1850 zum Sekondelieutenant, 1859 zum Premierlieutenant,
1861 zum Hauptmann im Generalstabe ernannt und 1864 als Compagniechef in das
64. Regiment versetzt. 1866 wurde er in den Großen Generalstab als Major einrangirt,
1870 als Oberstlieutenant zum Chef des Generalstabs des 10. Corps ernannt; 1872 als
Oberst mit der Leitung einer Abteilung im Kriegsministerium beauftragt, wurde er 1877
zum Generalmajor befördert und erhielt 1878 das Kommando einer Infanteriebrigade in
Stettin, 1881 das einer Brigade in Berlin. Im Dezember 1882 zum Generallieutenant
und Kommandeur der 30. Division in Metz ernannt, wurde er im März 1883 berufen,
nach Stosch' Rücktritt die Leitung der Admiralität zu übernehmen. 5. Juli 1888 Er-
nennung zum Kommandeur des 10. Armeecorps, 20. März 1890 Reichskanzler, 26. Ok-
tober 1894 Rücktritt vom Reichskanzler-Amt und Eintritt in den Ruhestand.
2) Literatur: Reichskanzler Leo v. Caprivi. Ein lebensgeschichtliches Charakterbild
von Ernst Schreck, Düsseldorf 1891. General Georg Leo v. Caprivi, der neue Kanzler des
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. V. 3