Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

der Jahre hier und da Zweifel darüber aufgestoßen sein, ob diese Leitung den 
nationalen Interessen wirklich entspreche; er hatte aber doch, um den Bestand 
des Ministeriums nicht zu gefährden, in den wichtigsten Fragen immer nach- 
gegeben und selbst, wenn auch nach einigem Widerstreben, in die Aufhebung 
des letzten Restes der Eisenzölle im Jahre 1876 eingewilligt. (Der einzige, 
der damals die verhängnisvollen Wirkungen dieser Maßregel mit voller Klar- 
heit übersah, war der Kaiser. Das Protokoll der Kronratssitzung vom 24. Ok- 
tober 1876 kann darüber Auskunft geben.) 
Auch die sogenannte öffentliche Meinung segelte zu jener Zeit, von wenigen 
Ausnahmen abgesehen, im freihändlerischen Fahrwasser. Kein Wunder also, 
daß der Fürst sich ausgesprochen schutzzöllnerischen Ideen gegenüber ablehnend 
verhielt, zumal wenn sie in dem Gewande theoretischer Deduktionen auftraten. 
Da erzielte ich eines Abends mit einer kleinen Geschichte eine merkwürdige 
Wirkung. Ich hatte in meinem früheren landrätlichen Kreise einen Säge- 
Fabrikanten kennen gelernt, dessen Geschäftsgeheimnis darin bestand, seinen Laub- 
holzsägen eine so große Geschmeidigkeit zu geben, daß sie zusammengerollt wer- 
den konnten und nie der Gefahr des Zerbrechens ausgesetzt waren. Diese 
Sägen fanden reißenden Absatz in Süddeutschland, namentlich im Schwarz- 
walde. Das Geschäft florirte und der Mann war auf dem besten Wege, wohl- 
habend zu werden. Plötzlich tauchten Sägen von ähnlicher Art in Frankreich 
auf; ein dortiger Konkurrent hatte das gleiche Mittel gefunden, sie geschmeidig 
zu machen. Durch Anwendung der titres d'acquits-à-caution (das sind 
Anweisungen auf rückzahlbare Zollausgaben), gelang es nun diesem Konkurrenten, 
die deutschen Sägen vom süddeutschen Markte vollständig zu verdrängen. Die 
Sache spielte sich sehr einfach ab. Jeder französische Fabrikant, der Eisen= oder 
Stahlwaren in das Ausland ausführte, erhielt von der Zollverwaltung einen 
Schein, der ihn berechtigte, eine gleiche Quantität Roheisen zollfrei aus dem 
Auslande einzuführen. Diesen Schein konnte er beliebig verkaufen. Gelang 
ihm dies, so war er im stande, den Preis seiner Waren im Auslande um die 
Summe niedriger zu normiren, die ihm für den verkauften Acquit gezahlt 
worden war. In dem vorliegenden Fall entsprach die Summe ziemlich genau 
dem Geschäftsgewinn, den mein Freund machen mußte, wenn er bestehen wollte. 
Seine Sägen kosteten ihm, um eine beliebige Summe zu nennen 10, er konnte 
sie, wollte er einen Profit machen, nicht unter 11 verkaufen, dem Franzosen 
kosteten sie gleichfalls 10, er brauchte aber keinen Profit, denn diesen hatte er 
schon durch die Veräußerung seiner Acquits gemacht. Dem Franzosen war es 
mithin ohne Schaden möglich, seine Waren in Deutschland für 10, das heißt 
für die Herstellungskosten loszuschlagen. Der Fabrikant im Kreise Mettmann 
konnte infolge dessen nicht mehr konkurriren; er war ruinirt. 
Auf den Fürsten machte diese kleine Erzählung einen sichtlichen Eindruck. 
Ich mußte noch an demselben Abend an die Minister Camphausen, Hofmann
	        
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