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In diesem Stadium wurde Geheimrat Lohmann von Bismarck mit
der Ausarbeitung des zweiten Unfallversicherungs= sowie des Krankenversicherungs-
Gesetzentwurfs betraut.
Welche Gesichtspunkte für diese beiden grundlegenden Gesetzentwürfe maß-
gebend waren, erhellt aus den zahlreichen Reden, welche Geheimrat Lohmann
als Kommissar der Staatsregierung in der zweiten Sitzungsperiode des preußischen
Volkswirtschaftsrats !1) hielt. Eine Wiedergabe dieser Reden würde wohl die
Mitwirkung Lohmanns bei den Verhandlungen über die Arbeiterversicherung
am besten charakterisiren; sie ist aber bei der Oekonomie und Tendenz dieses
Werkes ausgeschlossen, und beschränke ich mich daher darauf, nur zwei derselben
hier aufzunehmen, welche sich über die Detailfragen erheben und die Grund-
sätze erkennen lassen, von welchen sich Bismarck in diesem Stadium der Ver-
handlungen leiten ließ.
In der Sitzung des Volkswirtschaftsrats vom 6. März 1882 teilte der
Geheimrat Lohmann mit, welche Erwägungen zu einer Abänderung
der bestehenden Vorschriften über Hilfskassen geführt und die
Richtung dieser Abänderung bestimmt hatten, ferner die Begrenzung des ein-
zuführenden Versicherungszwanges, und beleuchtete endlich das System, mittelst
dessen dieser Zwang durchgeführt werden sollte.
Lohmann bemerkte:
Bei den vorjährigen Beratungen über die Unfallversicherung der Arbeiter
sei sowohl von seiten des Volkswirtschaftsrats als auch des Reichstags eine
Revision des Hilfskassengesetzes in der Richtung gefordert, daß eine ausreichende
Unterstützung der Arbeiter, welche einen Unfall erlitten haben, während der im
Gesetzentwurf über die Unfallversicherung vorgesehenen Karenzzeit gesichert werde.
In der That müsse bei der Erörterung des vorliegenden Entwurfs davon aus-
gegangen werden, daß ein sofortiger Eintritt der Unfallversicherung bei jedem
Unfalle aus mehrfachen Gründen nicht thunlich sei; denn wollte man die der
Zahl nach weit überwiegenden, der Bedeutung nach aber geringfügigen Unfälle,
deren Folgen in kurzer Zeit beseitigt werden, der Unfallversicherung zur Last
legen, so würde das den Geschäftsgang dieser Institution zu sehr kompliziren.
Zur Entscheidung solcher kleinen Fälle bedürfe es örtlicher Organe, welche den
Verhältnissen nahe genug stehen, um die persönliche und sachliche Seite der
Sache aus eigener Anschauung beurteilen zu können. Wolle man hier die
große Verwaltung der allgemeinen Unfallversicherung in Bewegung setzen, so
könne die Entschädigung nicht, wie es erforderlich sei, sofort gewährt werden
und werde oft zu spät kommen. Ferner spreche für eine besondere Regelung
der Karenzzeit, daß die Verhütung beziehungsweise Entdeckung der Simulation
1) Vergl. die Protokolle über die vom 28. Februar his zum 25. März 1882 währen-
den Sitzungen. Session 1882.