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von Krantheiten seitens der Versicherten nur durch örtliche Kontrolle möglich
sei. Ob in den Krankenkassen hierzu das geeignete Mittel zu finden sei, das
werde Gegenstand der Diskussion sein.
Werde aber dieses Mittel gewählt, so sei eine Revision der die ein—
geschriebenen Hilfskassen betreffenden Gesetze vom 7. und 8. April 1876 er-
forderlich. Das zweite an die Stelle des Titels 8 der Gewerbe-Ordnung
getretene Gesetz gewähre allerdings die Möglichkeit eines Krankenversicherungs-
zwanges durch Ortsstatut. Aber dieser auf den Bezirk einzelner Kommunal=
verbände beschränkte Zwang umfasse nur Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeiter,
es sei also nur ein bedingter Zwang, dessen Bereich nicht so weit sei, als der
der vorgeschlagenen Unfallversicherung. Ueberdies sei die von den bestehenden
Hilfskassen zugesicherte Unterstützung nicht so auskömmlich, wie es zur Ergänzung
der Unfallversicherung gefordert werden müsse. Denn das Mindestmaß der
Unterstützung, welches § 11 des Gesetzes vom 7. April 1876 zusichere, sei
äußerst spärlich; beispielsweise erhalte ein Mann, der 1,80 Mark Tagelohn
verdiene, die Hälfte mit 0,90 Mark Unterstützung, und wenn ihm darauf,
was zulässig sei, zu ⅜/ die ärztliche Behandlung und Gewährung der Arznei
mit 0,60 Mark angerechnet werde, so bleibe ihm 0,30 Mark bar übrig, und
es sei klar, daß dieser Betrag zur Deckung aller übrigen Bedürfnisse nicht aus-
reiche.. Außerdem sei für neu hinzutretende Mitglieder eine Karenzzeit von
13 Wochen zulässig, und es liege also die Gefahr vor, daß im Falle einer in
dieser Zeit eintretenden Erkrankung dem Arbeiter gar keine Unterstützung zu
teil werde. Auch das bedürfe der Abänderung, wenn Kranken= und Unfall-
versicherung vollkommen ineinandergreifen sollen.
Die Rücksicht auf die Unfallversicherung sei übrigens nicht das einzige
Motiv für eine Abänderung der Organisation der Hilfskassen, vielmehr sei
diese, auch abgesehen davon, von der allergrößten Bedeutung für die wirt-
schaftliche Lage der Arbeiter. Denn die Arbeiter, welche einer solchen Kasse
nicht angehören, fallen, sobald ihre etwaigen Ersparnisse aufgezehrt und die
irgend entbehrlichen Sachen zu Schleuderpreisen verwertet oder versetzt sind, mit
ihren Familien der öffentlichen Armenpflege anheim. Ein ähnlicher wirtschaft-
licher Ruin trete aber bei den einer Krankenkasse angehörigen Arbeitern, wenn
sie von Krankheit heimgesucht werden, gleichfalls ein, wenn die gewährten
Krankengelder nicht ausreichen, um den Haushalt während der Krankheit
einigermaßen nach dem gewohnten Zuschnitt aufrecht zu erhalten. Eine fernere
Folge unzulänglicher Unterstützung sei die, daß der Kranke in der Regel un-
genügend verpflegt werde, der betreffende Arbeiter infolgedessen anhaltendem
Siechtum und einer dauernden Beschränkung seiner Erwerbsunfähigkeit
verfalle.
Für eine allgemeine Durchführung der hiernach als richtig erkannten Ge-
sichtspunkte genüge die gegenwärtige Gesetzgebung nicht. Die Neigung, freiwillig