Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

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den Kassen beizutreten, sei äußerst gering, und wo Krankenkassen beständen, da 
seien sie meist durch Zwang eingeführt. So habe sich die Hoffnung, welche 
man auf die Gesetzgebung von 1876 gesetzt, in keiner Weise erfüllt. Auch von 
einem Vorgehen der Gemeindebehörden mit Ortsstatuten sei wenig zu erwarten; 
oft fehle es in diesen Instanzen an Intelligenz und Energie, um so mehr als 
sich dort oft der Einfluß solcher Personen geltend mache, welche kurzsichtiger- 
weise glauben, am Nichtzustandekommen der Hilfskassen ein Interesse zu 
haben. 
Der vorliegende Entwurf schlage deshalb die Einführung eines allgemeinen 
direkten Zwanges vor. Dann entstehe aber die Frage, wie weit dieser Zwang 
auszudehnen sei? Die Antwort müsse lauten: so weit als möglich auf die- 
jenigen Klassen, für die derartige Unterstützungen in Krankheitsfällen wünschens- 
wert seien. Wie weit dies möglich sei, das hänge von den Mitteln zur 
Durchführung des Zwanges ab. Das Mittel könne nun niemals in direktem 
Zwange gegen den Arbeiter dahin bestehen, daß er sich versichere. Die Er- 
füllung dieser Obliegenheit würde bei dem vielfachen Orts= und Berufswechsel 
der Arbeiter keine Polizeibehörde kontrollieren können. Die Sicherung müßte 
deshalb in einem Zwange gegen die Arbeitgeber gesucht werden und könne 
durch Gesetz nur insoweit eingeführt werden, als ein Arbeitgeber vorhanden 
sei, welchen man verantwortlich machen könne. Daraus ergebe sich die Be- 
schränkung auf Arbeiter, die in einem stehenden Gewerbebetriebe in ordentlicher 
Weise ausschließlich beschäftigt sind. Neben den Klassen, welche demgemäß 
unter I A 1 bis 3 der Grundzüge aufgeführt sind, ständen die weiteren, 
unter I B aufgeführten Kreise, für welche die Einführung eines allgemeinen 
Versicherungszwanges zwar nicht durch Gesetz angeordnet werden könne, aber 
unter Umständen wünschenswert sei. Hier solle es bei dem bisherigen Zustande 
mit der Maßgabe verbleiben, daß der höheren Verwaltungsbehörde eine An- 
ordnung vorbehalten werde, falls die Gemeindebehörde ihrer Pflicht nicht 
genügt. 
Sehr zweifelhaft sei es, ob eine Ausdehnung der zwangsweisen Kranken- 
versicherung auf die landwirtschaftlichen Arbeiter zweckmäßig sei, und es sei 
bisher nicht gelungen, die hier obwaltenden Schwierigkeiten befriedigend zu 
lösen. Denn die Verhältnisse dieser Arbeiter seien der Regel nach wesentlich 
verschieden von denen der gewerblichen Arbeiter, da bei jenen ein familien- 
ähnliches Verhältnis zur Gutsherrschaft und die Gewährung nachbarlicher Hilfe 
den von Krankheit Heimgesuchten aushelfe. Diesen Rest von Naturalwirtschaft 
zu beseitigen, sei nicht wohlgethan. Aeußerst schwierig würde es auch sein, die 
notwendige Begrenzung des Zwanges und die Kontrolle zu seiner Durchführung 
zweckmäßig zu organisiren. 
Was endlich das System, mittelst dessen dieser Kassenzwang durchzuführen 
sei, betreffe, so sei dabei zu beachten, daß es sich zumeist um die zahlreichen,
	        
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