Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Fünfter Band. Der Bundesrat des Deutschen Reichs (1881-1900). (5)

— 62 — 
Grundzüge für die gesetzliche Regelung der Unfallversicherung 
der Arbeiter in folgender Rede ein: 
Die gegenwärtige Vorlage halte die der vorjährigen Vorlage zu Grunde 
liegenden Prinzipien der Ersetzung der Haftpflicht durch obligatorische, auf 
direktem Zwang beruhende Unfallversicherung, der Ausführung der Versicherung 
durch eine staatliche Organisation im Gegensatz zur Privatspekulation und der 
Gewährung eines Beitrags durch das Reich aufrecht. Ueber die Abweichungen 
sei folgendes zu erwähnen: 
An die Stelle der Reichsversicherungsanstalt seien Zwangsgenossenschaften 
getreten. Man habe sich davon überzeugt, daß es zweckmäßig sei, die Vor- 
lage mehr auf die Grundlage der Genossenschaftsbildung zu stellen, da man 
die wünschenswerte Mitwirkung der Beteiligten nur erlangen könne, wenn man 
den Schwerpunkt in kleinere Bezirke verlege, da ferner die Reichsanstalt zu 
schwerfällig und ihr Geschäftsumfang zu groß geworden sein würde, da die 
für eine Zentralstelle erforderliche Einheit nicht aufrecht zu erhalten gewesen 
wäre, und der Wunsch bestanden habe, die Unfallversicherung thunlichst mit 
der Krankenversicherung in Verbindung zu bringen. Man wolle die großen 
Vorteile einer Zentralanstalt nicht verkennen; da indessen eine nähere Betrachtung 
der einschlagenden Verhältnisse ergeben habe, daß in der Mehrzahl der großen 
Industriezweige kein so großes Risiko zu tragen sei, als daß dasselbe nicht 
auch von kleineren Verbänden übernommen werden könnte, und da eine Zu- 
sammenlegung solcher Industriezweige, welche ein besonders großes Risiko zu 
tragen hätten, oder in welchen Massenunfälle vorkommen könnten, zu größeren 
Verbänden ohne Rücksicht auf die Bezirks= oder Landesgrenzen nicht aus- 
geschlossen zu sein brauche, so empfehle es sich, den großen Vorteilen, welche 
durch kleine Verbände mit Selbstverwaltung geboten würden, Rechnung zu 
tragen und die Reichsanstalt fallen zu lassen. 
Die Einrichtung der Organisation erfolge auf Grund der Unfallstatistik 
durch den Staat, vorbehaltlich von Abänderungen, die sich demnächst in der 
Zusammensetzung der Genossenschaften als zweckmäßig herausstellen sollten, und 
bei denen der Selbstbestimmung der Beteiligten die weitestgehenden Zugeständnisse 
zu machen seien. Die Zuweisung der Arbeiter in die Genossenschaften habe 
nur die Bedeutung einer Feststellung; an und für sich gehörten die Arbeiter von 
selbst zu denjenigen Genossenschaften, in welche sie demnächst eingereiht wurden. 
Was den Gegenstand der Versicherung anbelange, so sei eine — durch 
die Krankenkassen auszufüllende — Karenzzeit von dreizehn Wochen, die Be- 
grenzung des der Berechnung der Entschädigung zu Grunde zu legenden Arbeits- 
verdienstes auf 1200 Mark jährlich, die Uebernahme nicht von Premien, 
sondern eines Dritteils der Entschädigungen durch das Reich und die Frei- 
lassung der Arbeiter von Beiträgen in Aussicht genommen. Bei der dreizehn- 
wöchentlichen Karenzzeit müsse allerdings die Frage entstehen, ob die durch dieselbe
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.