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Grundzüge für die gesetzliche Regelung der Unfallversicherung
der Arbeiter in folgender Rede ein:
Die gegenwärtige Vorlage halte die der vorjährigen Vorlage zu Grunde
liegenden Prinzipien der Ersetzung der Haftpflicht durch obligatorische, auf
direktem Zwang beruhende Unfallversicherung, der Ausführung der Versicherung
durch eine staatliche Organisation im Gegensatz zur Privatspekulation und der
Gewährung eines Beitrags durch das Reich aufrecht. Ueber die Abweichungen
sei folgendes zu erwähnen:
An die Stelle der Reichsversicherungsanstalt seien Zwangsgenossenschaften
getreten. Man habe sich davon überzeugt, daß es zweckmäßig sei, die Vor-
lage mehr auf die Grundlage der Genossenschaftsbildung zu stellen, da man
die wünschenswerte Mitwirkung der Beteiligten nur erlangen könne, wenn man
den Schwerpunkt in kleinere Bezirke verlege, da ferner die Reichsanstalt zu
schwerfällig und ihr Geschäftsumfang zu groß geworden sein würde, da die
für eine Zentralstelle erforderliche Einheit nicht aufrecht zu erhalten gewesen
wäre, und der Wunsch bestanden habe, die Unfallversicherung thunlichst mit
der Krankenversicherung in Verbindung zu bringen. Man wolle die großen
Vorteile einer Zentralanstalt nicht verkennen; da indessen eine nähere Betrachtung
der einschlagenden Verhältnisse ergeben habe, daß in der Mehrzahl der großen
Industriezweige kein so großes Risiko zu tragen sei, als daß dasselbe nicht
auch von kleineren Verbänden übernommen werden könnte, und da eine Zu-
sammenlegung solcher Industriezweige, welche ein besonders großes Risiko zu
tragen hätten, oder in welchen Massenunfälle vorkommen könnten, zu größeren
Verbänden ohne Rücksicht auf die Bezirks= oder Landesgrenzen nicht aus-
geschlossen zu sein brauche, so empfehle es sich, den großen Vorteilen, welche
durch kleine Verbände mit Selbstverwaltung geboten würden, Rechnung zu
tragen und die Reichsanstalt fallen zu lassen.
Die Einrichtung der Organisation erfolge auf Grund der Unfallstatistik
durch den Staat, vorbehaltlich von Abänderungen, die sich demnächst in der
Zusammensetzung der Genossenschaften als zweckmäßig herausstellen sollten, und
bei denen der Selbstbestimmung der Beteiligten die weitestgehenden Zugeständnisse
zu machen seien. Die Zuweisung der Arbeiter in die Genossenschaften habe
nur die Bedeutung einer Feststellung; an und für sich gehörten die Arbeiter von
selbst zu denjenigen Genossenschaften, in welche sie demnächst eingereiht wurden.
Was den Gegenstand der Versicherung anbelange, so sei eine — durch
die Krankenkassen auszufüllende — Karenzzeit von dreizehn Wochen, die Be-
grenzung des der Berechnung der Entschädigung zu Grunde zu legenden Arbeits-
verdienstes auf 1200 Mark jährlich, die Uebernahme nicht von Premien,
sondern eines Dritteils der Entschädigungen durch das Reich und die Frei-
lassung der Arbeiter von Beiträgen in Aussicht genommen. Bei der dreizehn-
wöchentlichen Karenzzeit müsse allerdings die Frage entstehen, ob die durch dieselbe