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und zurzeit hat der Kaiser auch noch die Absicht, den Akt persönlich vor-
zunehmen, worauf Bismarck diesmal ganz besonderen Wert legt. 1) Bleibt es
dabei, so würde ich natürlich die stereotype Statistenrolle übernehmen und da-
mit zugleich dem Kaiser alsbald den Beweis liefern, daß ich seine Karlsruher
Mahnung mir zu Herzen genommen habe. Die letzten Nachrichten über das
Befinden des Großherzogs lauten ja, Gott sei Dank, wieder günstiger, und so
darf man wohl hoffen, daß durch dasselbe die Eröffnungsabsichten keine Aen-
derung erleiden werden.
Berlin, den 22. November 1881.
An Frau Wanda v. Koethe.
Der Bundesrat wird mich während Deines Hierseins voraussichtlich wenig
in Anspruch nehmen, desto mehr aber das leidige Diniren, in dem diesmal in
der That hier mein Hauptgeschäft besteht. Drei Tage sind bereits wieder be-
setzt. Der Sonnabend selbst bei dem Finanzminister, Montag bei N., und
Dienstag habe ich sogar zwischen dem Kriegsminister und Delbrück zu wählen.
Der Kaiser ist wieder unwohl. Am Sonnabend, wo ich zum Diner befohlen
war, sah er sehr frisch und munter aus, in der Nacht aber ist er von Rücken-
schmerzen befallen worden, von denen, wie ich höre, die Aerzte leider annehmen,
daß sie ihren Sitz in den Nieren haben. Heute ist zur Abwechselung einmal
Bundesratssitzung, dann dinire ich bei Herrn Jakob Landau en famille.
Gotha, den 18. Dezember 1881.
An Frau Wanda v. Koethe.
Nachdem mein ministerieller Wirkungskreis eine so erhebliche Schmälerung
erfahren hat, sollte sich wohl eigentlich für meine Privatkorrespondenz noch
mehr Zeit finden, als sonst. Seit meinem Wiedereintreffen von Berlin ist dies
aber in der That nicht der Fall gewesen. An den Aufenthalt in Berlin denke
ich diesmal gern zurück. Für den 6. hatte ich noch eine Einladung zu der
parlamentarischen Soirée bei Fürst Bismarck erhalten, die mir indes nicht so
verlockend erschien, um unsere bereits auf diesen Tag festgesetzte Abreise zu ver-
schieben. Hoffentlich hält der Herr Reichskanzler dieses mein Nichterscheinen
nicht für ein ebenso demonstratives, wie das der Herren Windthorst und Com-
1) Die Eröffnung des Reichstags erfolgte am 17. November 1881 durch Bismarck,
welcher bei dieser Gelegenheit die Kaiserliche Botschaft von demselben Tage verlas, ent-
haltend das Programm für Deutschlands neue Sozialpolitik.