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vom 18. Januar 1882 angenommenen Entwurf eines Gesetzes, betreffend die
Aufhebung des Gesetzes über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von
Kirchenämtern vom 4. Mai 1874, die verfassungsmäßige Zustimmung nicht zu
erteilen. Bayern, Oldenburg und Reuß ä. L. dissentirten. Die Abstimmung
Bayerns für den Antrag Windthorst auf Aufhebung des Internirungsgesetzes
wurde von bayerisch-offiziöser Seite wie folgt begründet:
Der Vorwurf, den man erhoben hat, daß die bayerische Regierung durch
ihr Votum sich mit der von ihr früher eingenommenen prinzipiellen Stellung
in Widerspruch gesetzt habe, ist in dem geschichtlichen Hergange keineswegs be-
gründet. Als vor acht Jahren die Beratungen über den Erlaß des Gesetzes
gepflogen wurden, hat die bayerische Regierung den Standpunkt vertreten, daß
schwerwiegende materielle Bedenken der beabsichtigten gesetzlichen Regelung ent-
gegenstehen, und sie hat, indem sie jetzt unter Bezugnahme auf die früheren
Bedenken für Aufhebung des Gesetzes votirte, lediglich ihre von Anfang an
bestandene Ueberzeugung zur Geltung gebracht. Speziell für die preußische
Regierung konnte in der Haltung Bayerns etwas Ueberraschendes schon aus
dem Grunde nicht liegen, weil derselben schon geraume Zeit vor der Beschluß-
fassung des Bundesrats von der bayerischerseits in Aussicht genommenen Ab-
stimmung in loyalster Weise Kenntnis gegeben worden war.
Revision der Gewerbeordnung. Ein vom Reichskanzler anfangs
April 1882 vorgelegter Gesetzentwurf beantragte die Beseitigung einer Reihe zu
liberaler Bestimmungen der Gewerbeordnung, um den Gefahren, welche der
Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiete der öffentlichen Sicherheit,
Gesundheitspflege, Sittlichkeit und Ordnung seiner Natur nach mit sich bringt,
wirksamer als bisher zu begegnen.!)
Zu der Präsidialvorlage lag ein Antrag Bayerns vor, welcher drei Artikel
umfaßte:
I. Artikel 1 a verlangt: Hebammen bedürfen eines Prüfungszeugnisses der
nach den Landesgesetzen zuständigen Behörde. Auch können die Landesregierungen
den Betrieb des Hufbeschlaggewerbes von der Beibringung eines solchen Zeug-
nisses abhängig machen.
II. Artikel Ga. Die in dem § 29 bezeichneten Approbationen der Aerzte
und Apotheker können von der Verwaltungsbehörde nur dann zurückgenommen
werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf deren Grund
solche erteilt worden sind oder wenn dem Inhaber der Approbation die bürger-
lichen Ehrenrechte aberkannt worden sind, auf die Dauer dieser Aberkennung.
1) Einzelheiten aus der Bundesrats-Drucks. s. „Nat.-Ztg.“ Nr. 107 v. 4. 3. 82. Horst
Kohl erwähnt das obige Uebersendungsschreiben des Kanzlers nicht. Nach Schultheß' Ge-
schichtskalender datirt dasselbe vom 14. April 1882.