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III. Artikel 7 a. An Stelle der §§ 107 und 108 der Gewerbeordnung
treten nachstehende Bestimmungen: § 107. Als gewerbliche Arbeiter dürfen,
soweit reichsgesetzlich nicht ein anderes zugelassen ist, nur solche Personen be-
schäftigt werden, welche mit einem Arbeitsbuche versehen sind. Bei der Annahme
solcher Arbeiter hat der Arbeitgeber das Arbeitsbuch einzufordern. Er ist ver-
pflichtet, dasselbe zu verwahren, auf amtliches Verlangen vorzulegen und nach
rechtmäßiger Lösung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeiter wieder auszuhändigen.
Auf Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, finden vor-
stehende Bestimmungen keine Anwendung. — § 108. Das Arbeitsbuch wird
dem Arbeiter durch die Polizeibehörde desjenigen Ortes, an welchem er zuletzt
seinen dauernden Aufenthalt gehabt hat, wenn aber ein solcher im Gebiete des
Deutschen Reichs nicht stattgefunden hat, von der Polizeibehörde des von ihm
zuerst erwählten deutschen Arbeitsorts kosten= und stempelfrei ausgestellt. Die
Ausstellung erfolgt bei minderjährigen Arbeitern auf Antrag oder mit Zustimmung
des Vaters oder Vormundes; ist die Erklärung des Vaters nicht zu beschaffen,
so kann die Gemeindebehörde die Zustimmung desselben ergänzen. Vor der
Ausstellung ist nachzuweisen, daß der Arbeiter zum Besuch der Volksschule nicht
mehr verpflichtet ist und glaubhaft zu machen, daß bisher ein Arbeitsbuch für
ihn noch nicht ausgestellt war.
Dem Antrag war eine Begründung für jeden einzelnen Punkt beigegeben.
In Bezug auf die Arbeitsbücher hieß es darin:
Die Bestimmungen über die Arbeitsbücher erweisen sich als sehr wohlthätig,
allein sie bedürfen der Ausdehnung durch Beseitigung der Altersgrenze. Eine
entsprechende Aenderung der Gewerbeordnung würde einem in Bayern sowohl
von seiten der Polizeibehörden als von einem sehr großen Teile der Gewerb-
treibenden lebhaft empfundenen Bedürfnisse entsprechen. Es würde hierdurch
eine weitere Verbesserung der Verhältnisse im Gesellenwesen herbeigeführt, dem
tüchtigen und soliden Arbeiter eine bevorzugte Stellung gesichert und den Be-
hörden die Verfolgung der Vaganten erleichtert werden. Ein das gleiche Ziel
verfolgender Antrag wurde bereits im vorigen Jahre im Bundesrat zu dem
vom Reichstag unerledigt gelassenen Gesetzentwurf, die Abänderung der Gewerbe-
ordnung betreffend, von der Königlich sächsischen Regierung gestellt. Das immer
stärker hervortretende Bedürfnis drängt, diesen Antrag bei vorliegender Gelegen-
heit wieder aufzunehmen.
Der bayerische Antrag in Betreff der Arbeitsbücher wurde vom Bundes-
rat abgelehnt.!)
In der Sitzung des Bundesrats vom 14. Juni 1883 fand der Gesetz-
1) Ueber die Ausschußberatung vgl. die „Nordd. Allg. Ztg.“ Nr. 186 v. 21. 4. 82.
Ueber die Bundesrats-Kommissare in der Reichstagskommission „Nat.-Ztg.“ Nr. 174
v. 13. 4. 83.