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Viehseuchen. Im November 1881 ging dem Bundesrat seitens des
Stellvertreters des Reichskanzlers folgender Antrag zu: „Das Gesetz vom
23. Juni 1880, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen,
lautet im § 38: „Ist ein wutkranker oder der Seuche verdächtiger Hund frei
umhergelaufen, so muß für die Dauer der Gefahr die Festlegung aller in dem
gefährdeten Bezirk vorhandenen Hunde polizeilich angeordnet werden. Der Fest-
legung ist das Führen der mit einem sicheren Maulkorb versehenen Hunde an
der Leine gleich zu achten. Wenn Hunde dieser Vorschrift zuwider frei umher-
laufend betroffen werden, so kann deren sofortige Tötung polizeilich angeordnet
werden.“ Die Ausführungsbestimmungen hierzu sind im § 20 der vom Bundesrat
unterm 12. Februar 1881 beschlossenen, mittelst Bekanntmachung des Reichs-
kanzlers vom 24. Februar 1881 veröffentlichten Instruktion enthalten. Die-
selben gehen bezüglich des letzten Satzes im § 38 des Gesetzes dahin: „Die
Polizeibehörde hat anzuordnen, daß Hunde, welche der Vorschrift dieses Para-
graphen zuwider innerhalb des gefährdeten Bezirks frei umherlaufend betroffen
werden, sofort zu töten sind.“ Einzelne Polizeibehörden haben die vorstehende
Bestimmung so aufgefaßt, als ob dadurch die nach § 38 des Gesetzes unter
Umständen zugelassene Tötung der verbotswidrig umhergelaufenen Hunde für
alle Fälle hätte vorgeschrieben werden sollen. Diese Auslegung steht mit der
aus dem Wortlaut des Gesetzes im Zusammenhang mit den übrigen Be-
stimmungen desselben über die Tollwut erkennbaren Absicht des Gesetzgebers
nicht im Einklang. Da jedoch der § 20 der Ausführungsinstruktion eine der-
artige Auslegung nicht ausschließt, so dürfte es sich empfehlen, auf eine ent-
sprechende Aenderung Bedacht zu nehmen. Nachdem der Herr Reichskanzler sich
in Betreff des Gegenstandes mittelst Schreibens vom 1. September dieses
Jahres mit den hohen Bundesregierungen in Verbindung gesetzt hat und die
bisher eingelaufenen Aeußerungen das am Schlusse des Schreibens voraus-
gesetzte Einverständnis mit den hohen Bundesregierungen in diesem Punkte be-
stätigt haben, beehre ich mich, dem Bundesrat eine Beschlußnahme dahin ganz
ergebenst anheimzustellen, daß der letzte Absatz in § 20 der Instruktion vom
12./24. Februar 1881 zu streichen und durch nachstehende, dem letzten Satz
im § 38 des Gesetzes vom 23. Juni 1880 entsprechende Bestimmung zu
ersetzen sei: „Wenn Hunde, der Vorschrift dieses Paragraphen zuwider, frei
umherlaufend betroffen werden, so kann deren sofortige Tötung polizeilich an-
geordnet werden.“
Der Bundesrat beschloß dementsprechend. Bekanntmachung des Reichs-
kanzlers vom 2. Mai 1882 (Zentralbl. f. d. Deutsche Reich S. 215).1)
1) In Kohls Bismarck-Regesten übersehen. Es verlautete in Beamtenkreisen, daß der
obenstehende Antrag auf die persönliche Anregung Bismarcks zurückzuführen war.