Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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Motive ausschlaggebend waren, bleibe dahingestellt. Thatsache ist, daß Camp— 
hausen sich im Bundesrat niemals recht wohl gefühlt hat und daß Delbrück 
nichts that, um hierin einen Wandel zu schaffen. Wie erinnerlich, 1) konnte 
sich Delbrück nicht entschließen, dem älteren Camphausen ab und zu den Vorsitz 
im Bundesrat einzuräumen. Ich gebe zu, daß eine solche Uebertragung des 
Vorsitzes für die geschäftliche Erledigung der Vortragssache keine Förderung 
gewesen wäre, da Delbrück die Reichsmaterien entschieden besser beherrschte als 
Camphausen. Indessen kommt es nicht immer auf das rein Sachliche an, und 
Bismarck that wohl daran, aus Rücksichten der Courtoisie selbst einmal dem 
bayerischen Gesandten Freiherrn Pergler v. Perglas den Bundesratsvorsitz zu 
übertragen, wiewohl doch dieser Herr notorisch nicht befähigt war, die Arbeiten 
einer hochpolitischen Versammlung zu leiten.2 
Im Laufe der Session wurde noch die Bildung von zwei weiteren Aus- 
schüssen beschlossen: des Ausschusses für Elsaß-Lothringen und des 
Ausschusses für die Errichtung eines Reichstagsgebäudes. 
Die Einsetzung eines besonderen Ausschusses des Bundesrats von 7 Mit- 
gliedern für die elsaß -lothringischen Angelegenheiten wurde in der Sitzung 
vom 27. Mai beschlossen, als es sich um die Behandlung des Reichstags- 
beschlusses wegen Errichtung einer deutschen Universität in Straßburg handelte. 
Anfänglich war nur eine Zahl von 7 Mitgliedern ohne Stellvertreter in Aus- 
sicht genommen. Allein der Umstand, daß dieser Ausschuß in den nächsten 
anderthalb Jahren unausgesetzt in Thätigkeit sein mußte, ließ die Wahl 
auch von 2 Stellvertretern als wünschenswert erscheinen. Und zugleich führte 
dasselbe Motiv mit Notwendigkeit dahin, als Mitglieder oder Stellvertreter 
dieses Ausschusses nur solche Staaten zu wählen, welche durch ständige Gesandt- 
schaften in Berlin vertreten waren, die jeden Augenblick zu nötig werdenden 
Beratungen zur Verfügung standen. So gingen denn aus der Wahlurne als 
Mitglieder des Ausschusses hervor: Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, 
Baden, Hessen und Braunschweig, als Stellvertreter Mecklenburg und Lübeck.3) 
Ein frommer Wunsch blieb dagegen der von dem Landesökonomie-Kollegium 
verlangte Bundesratsausschuß für die Landwirtschaft. Der in der 16. Sitzungs- 
periode des Kollegiums beschlossene Antrag: den Minister für die landwirt- 
schaftlichen Angelegenheiten um seine Einwirkung dahin zu bitten, „daß im Falle 
1) Auf einer parlamentarischen Soirée (vl. mein Werk: „Fürst Bis marck und die 
Parlamentarier“ Bd. I., 1. Aufl., S. 121) bemerkte der Kanzler, das dienstliche Verhältnis 
zwischen Delbrück und Camphausen sei oft unerquicklich gewesen. „Delbrück überließ dem 
alteren Camphausen niemals den Vorsitz, und es kam vor, daß im Bundesrat Camphausen 
den Standpunkt des preußischen Ministeriums darlegte, Delbrück aber darnach alle sieben- 
zehn preußischen Stimmen gegen Camphausen abgab.“ 
2) Vgl. Bd. I. S. 201. 
3) „National-Zeitung“ Nr. 265 vom 9. Juni 1871, Nr. 269 vom 12. Juni 1871.
	        
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