Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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einer Revision der deutschen Reichsverfassung ein Bundesratsausschuß für 
Landwirtschaft gebildet werde“, wurde dem Bundeskanzler zwar von dem 
Minister für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten vorgelegt, von dem Bundes- 
kanzler ist darauf aber erwidert worden, daß der Fall einer Revision der Reichs- 
verfassung zurzeit nicht vorliege. 1) 
Hinsichtlich der Ausschußsitzungen wurde das Verfahren beobachtet, daß den 
Mitgliedern der Ausschüsse zu deren Beratung eine Einladung, und hinsichtlich 
der Ausschüsse, welchen die Bevollmächtigten nicht angehörten, eine Benachrich- 
tigung mit der Anheimgabe zuging, der betreffenden Sitzung beizuwohnen. Hin- 
sichtlich des Ausschusses für die auswärtigen Angelegenheiten sollte ein anderes 
Verfahren Platz greifen, da es den Anschein gewann, als ob derselbe einen 
Teil seiner Arbeiten in geheimen Sitzungen erledigen wollte. 
Den Löwenanteil von den Arbeiten des Bundesrats hatte in der ersten 
Session des Deutschen Bundesrats Delbrück. Als die nächst fleißigsten Mitglieder 
wären zu nennen von Preußen: Direktor Hasselbach und Geheimer Justizrat 
Dr. Falk, von Bayern: Oberst Fries und Ministerialrat Berr, von Sachsen: 
Geheimer Rat Schmalz, von Württemberg: Ober-Finanzrat Riecke, von Baden: 
Ministerialrat Eisenlohr, von Hessen: Gesandter Hofmann, von Braunschweig: 
Geheimer Rat v. Liebe, von den Hansestädten: Ministerresident Dr. Krüger. 
Von den 39 Bevollmächtigten zum Bundesrat, welche der ersten Sitzung 
des Bundesrats beigewohnt haben, wirken jetzt in dieser hohen Körperschaft nur 
noch Stephan, v. Mittnacht und Riecke mit, 8 von ihnen leben im Ruhestand, 
nämlich Delbrück, Hasselbach, Weishaupt, Klemm, Hofmann, v. Larisch, v. Flott- 
well und Höcker, während 3 sich in anderweitigen dienstlichen Stellungen be- 
finden: Falk, Berr und Eisenlohr. — 
Im Laufe der Session fielen seitens Bismarcks im Reichstag mehrfach 
Aeußerungen über den Bundesrat und seine Stellung zu demselben, die hier 
an bevorzugter Stelle erwähnt werden mögen. 
In der Sitzung vom 1. April 1871 erläuterte Bismarck, warum er die 
Körperschaft „Bundesrat“ und nicht Reichsrat benannt habe. „Ich würde unter 
dem Reichsrat eher nach Analogie des Wortes Staatsrat die Behörde verstehen, 
die in einem Reiche diejenigen Funktionen ausübt, welche in einem einzelnen 
Staate der Staatsrat ausübt. Der Bundesrat ist nicht eigentlich eine Reichs- 
behörde, er vertritt das Reich als solches nicht; das Reich wird nach außen 
durch Se. Majestät den Kaiser vertreten, das gesamte Volk wird durch den 
Reichstag vertreten, der Bundesrat ist nach unserer Auffassung recht eigentlich 
eine Körperschaft, in welcher die einzelnen Staaten zur Vertretung gelangen, 
die ich nicht als zentrifugales Element, aber als die Vertretung berechtigter 
1) „National-Zeitung“ Nr. 202 vom 30. April 1871.
	        
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