Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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sagen, Einwohnerschaften für sich haben, dem sind Sie Achtung schuldig 
in einer andern Weise, und die zollen Sie ihm auch, und die Bevölkerung zollt 
sie ihm. 
„Ich glaube, daß der Bundesrat eine große Zukunft hat, indem er zum 
erstenmale den Versuch macht der monarchischen Spitze, ohne die Wohlthaten 
der monarchischen Gewalt — oder der hergebrachten republikanischen Obrigkeit — 
dem Einzelstaat zu nehmen, und in seiner höchsten Spitze als föderatives Kol— 
legium sich einigt, um die Souveränität des gesamten Reichs zu üben; denn 
die Souveränität ruht nicht beim Kaiser, sie ruht bei der Gesamtheit der ver— 
bündeten Regierungen. Es ist das zugleich nützlich, indem die — nennen Sie 
es Weisheit oder Unweisheit von fünfundzwanzig Regierungen unvermittelt in 
diese Beratungen hineingetragen wird, eine Mannigfaltigkeit von Anschauungen, 
wie wir sie im Einzelstaate niemals gehabt haben. Wir haben, so groß Preußen 
ist, von den kleineren und kleinsten Mitgliedern doch manches lernen können; 
sie haben umgekehrt von uns gelernt. Es sind fünfundzwanzig Ministerien 
oder Obrigkeiten, von denen jede unverkümmert in ihrer Sphäre die Intelligenz, 
die Weisheit, die dort quillt, an sich saugt und im Bundesrat selbständig von 
sich zu geben berechtigt ist ohne irgend eine Beschränkung, während der Einzel- 
staat sehr viele Hemmnisse hat, die die Quellen auch da, wo sie fließen möchten, 
stopfen. Es ist nur ein einziger Verschluß, der die ganze Aeußerung der ein- 
zelnen Staatsgewalt hemmen oder frei lassen kann, mag er nun in dem 
Majoritätsvotum eines Ministeriums bestehen, oder mag er in dem Willen des 
Landesherrn bestehen. Es ist das ein Verschluß, der der Minorität des Mini- 
steriums, die nicht zur Geltung gekommen ist, oder demjenigen Ministerium, 
welches sich mit dem Landesherrn für den Augenblick nicht in Einklang zu setzen 
vermochte, den Mund schließt, während hier fünfundzwanzig Oeffnungen sind, 
die offen bleiben, wenn sie nicht fünfundzwanzigfach verschlossen werden. 
„Kurz, ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, daß ich glaube, in 
meiner politischen Bildung durch die Teilnahme an den Sitzungen des Bundes- 
rats, durch die belebende Friktion der fünfundzwanzig deutschen Zentren mit 
einander, erhebliche Fortschritte gemacht zu haben und zugelernt zu haben. Des- 
wegen möchte ich Sie bitten, tasten Sie nicht den Bundesrat an! Ich sehe eine 
Art von Palladium für unsere Zukunft, eine große Garantie für die Zukunft 
Deutschlands gerade in dieser Gestaltung — es ist ja möglich (man sieht nicht 
in die Zukunft), daß ich zu rosig sehe; aber ich hoffe das Gegenteil.“ 
In einer Reichstagsrede vom 4. November 1871 bemerkte Bismarck in 
Bezug auf die Beschwerde des Abgeordneten v. Hoverbeck, daß der Reichstag 
nicht gleichberechtigt mit dem Bundesrat in Bezug auf die Kriegserklärung sei: 
„Ich habe bisher nicht befürchtet, daß diese starke Bürgschaft der Friedfertigkeit 
des neuen Kaisertums, die darin gegeben ist, daß der Kaiser dem unbeschränkten 
Rechte der Kriegserklärung, wie er es in seiner früheren Stellung gehabt hat,
	        
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