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entsagte, — daß diese starke Bürgschaft gegen jeden mutwilligen Angriffskrieg,
die darin liegt, daß die Zustimmung des Bundesrats durch die neue Verfassung
gefordert ist, — daß diese Bürgschaft jemals zu einem Argument gegen uns
angewendet werden könnte, zu einem Argument, welches auf der Voraussetzung
beruht, daß eine leichtfertige Kriegslüsternheit doch die Oberhand in der Reichs-
regierung erhalten könnte. Dagegen liegt die Bürgschaft in dem verfassungs-
mäßigen Bedürfnis der Zustimmung des Bundesrats. Aber diese Berechtigung
des Bundesrats steht noch lange nicht auf gleicher Linie mit der Berechtigung,
welche der Abgeordnete v. Hoverbeck für den Reichstag verlangt. Der Bundes-
rat kann durch sein verfassungsmäßiges Recht die Mobilmachung noch nicht
hindern, er kann nur die Kriegserklärung hindern, die Vorbereitung zu dem
Kriege, dessen Notwendigkeit der Kaiser eingesehen hätte, kann der Bundesrat
nicht hindern; nur zu dem wirklichen Akt der Kriegserklärung, wo es sich nicht etwa
um einen Verteidigungskrieg, der durch Angriffe des Gebietes von selbst als
notwendig aufgedrängt ist, handelt, nur zu diesem wirklichen Akt hat der Bundes-
rat die Mitwirkung. Es würde daher für den Reichstag das sehr viel weiter-
gehende Recht in Anspruch genommen werden, schon die Mobilmachung zu
hindern, die mit Verwendung des Staatsschatzes ausgeführt werden kann. Dabei
ist der erhebliche Unterschied noch in Betracht zu ziehen, daß diese hohe Ver-
sammlung öffentlich verhandelt, daß hier kein Wort zur Erlangung der Be-
willigung gesprochen werden kann, das nicht in ganz Europa widerhallt, wäh-
rend im Bundesrate die Notwendigkeit einer Kriegserklärung diskutirt werden
kann, ohne daß die Wahrscheinlichkeit vorhanden ist, daß das die Wände des
Beratungszimmers überschreitet, wo alle das Interesse zu schweigen haben, und
Zuhörer, die kein Interesse daran zu haben brauchen, unzulässig sind. Das ist
ein sehr erheblicher Unterschied; der Bundesrat ist in dieser Beziehung nur ein
etwas erweitertes Kabinet.“
Von eminenter Bundesfreundlichkeit waren die Worte diktirt, die Bismarck
am 17. November 1871 im Reichstag fallen ließ, als ihm zugemutet wurde,
das im Bundesrat zu stande gekommene Kompromiß, wonach das Bildnis des
Landesherrn auf den Goldmünzen erhalten bleiben sollte (das Gegenteil wollte
der Antrag Münster), aufzugeben. „Diese Aufgabe haben wir uns auch im
Bundesrate gestellt, nicht durch theoretische Verfassungsfragen die Nachgiebigkeit,
die der eine gegen die Ueberzeugung des andern hat, und die in Deutschland
nie so sehr groß ist, auf die Probe zu stellen. Wenn die übrigen Bundes-
regierungen erleben, daß die preußische Regierung, nachdem man wochenlang
verhandelt und nach sorgfältiger und schwieriger Arbeit ein Kompromiß zu stande
gebracht hat, von ihrem Anteile an diesem Kompromiß, von ihrer Zusage durch
das Reichstagsvotum sich entbinden läßt, dann verliere ich das Vertrauen des
Bundesrats, dessen ich im Schoße des Bundesrats bedarf, um Kompromisse der
Art zu stande zu bringen. Ich muß daher gestehen, daß ich außer stande sein
Poschinger, Fürst Bismarck und der Bundesrat. II. 8