Full text: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Zweiter Band. Der Bundesrat des Zollvereins (1868-1870) und der Bundesrat des Deutschen Reichs (1871-1873). (2)

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welchen Maßregeln er ganz unbeteiligt war und zu welchen er den Minister 
Dr. Falk gedrängt hat, läßt sich — solange die betreffende amtliche Korre- 
spondenz noch nicht veröffentlicht ist — nicht entscheiden. 1) Nur so viel kann 
man sagen, daß die bisherigen Auffassungen hierüber als sehr schiefe bezeichnet 
werden müssen. Bismarck selbst hat sich über seinen Anteil an den Kultur- 
kampfgesetzen wiederholt geäußert, am schärfsten in der Reichstagssitzung vom 
3. Dezember 1884, 2) wo derselbe bemerkte: „Ich war, als die Maigesetze ent- 
standen, gar nicht in Berlin anwesend, ich war nicht Ministerpräsident, Sie 
werden finden, daß unter den Gesetzen meine Unterschrift ex post erfolgte. 
Sie steht hinter der des Ministerpräsidenten Grafen Roon, er steht als Minister- 
präsident unterschrieben, und meine Unterschrift wurde von mir zum Teil unter 
dem Druck der Kabinetsfrage verlangt. Es gilt dies auch von dem Zivilstands- 
gesetze, welches mir am meisten gegen den Strich ging, das ich notgedrungen 
unterschreiben mußte; 3) ich selbst war krank, mehrere Minister waren bereit, 
abzugehen, und ich war nicht im stande, sie zu ersetzen. Ich war auch nicht 
geneigt, den Kampf überhaupt aufzugeben. Ich kann nicht leugnen, daß ich 
über die Details, über die juristische Ausführung der Gesetze verwundert und 
nicht angenehm überrascht war, aber ich mußte die Gesetze nachher nehmen, wie 
ich sie fand. Etwas anderes sind die Junigesetze von 1875, die ein paar 
Jahre später erlassen wurden. Bei diesen bin ich vollständig beteiligt gewesen 
und übernahm die volle Verantwortung für die Verfassungsänderung, zu der 
ich meine damaligen Kollegen, die vor dem Worte „Verfassung“ eine Schen 
empfanden, die über meine damalige Empfindung hinausging, nur schwer be- 
wegen konnte; namentlich mein damaliger Kollege Dr. Falk machte am längsten 
Opposition gegen alles, was Verfassungsänderung hieß."“ 
In demselben Sinne schrieb die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“: „Später 
ist allerdings Fürst Bismarck für die Ziele der Falkschen Gesetze eingetreten. 
Nachdem die Maigesetze, hervorgegangen aus der Initiative des Ministers Falk, 
von dem Staatsministerium acceptirt worden waren, blieb nur die Alternative 
übrig zwischen einem Ministerwechsel und einem einmütigen Vorgehen der 
Minister.“ Sicherlich ist angesichts der dokumentarisch bewiesenen Thatsachen 
die zur Abwehr eigener Schuld in der Zentrumspresse verbreitete Behauptung, 
daß der preußische Kulturkampf in dem vatikanischen Konzil seinen Ausgang 
1) Majunke (Geschichte des Kulturkampfes) schiebt Bismarck die Initiative zu bezüglich 
der Aufbebung der katholischen Abteilung, ferner bezüglich des Schulaufsichtsgesetzes und 
des Jesuitengesetzes. Dagegen spricht er ihn frei bezüglich des Lutzschen Strafparagraphen 
und des Zivilehegesetzes, das Bismarck „aus Fürsorge für die protestantische Kirche“ nicht 
haben wollte. Mit der Feder hat Bismarck den Kampf geführt in dem Streit mit dem 
Bischof von Ermeland (S. 282). Vergl. über die ganze Frage auch „Unsere Minister seit 
1862“ S. 101. 
2) Kohl, Bismarckreden Bd. X. S. 307. 
3) Bismarcks Reichstagsrede vom 30. November 1881 (Kohl, Bd. IX. S. 172).
	        
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